Mount Washington - Mount Washington
Glitterhouse / IndigoVÖ: 17.02.2012
Die Norweger, die auf der Palme waren und mit einem Berg herunterkamen
Wer aus dem nördlichsten Norden Norwegens kommt, kann sich allerlei Namen geben. Washington ist nicht zwingend der naheliegendste davon, aber es funktioniert. Bislang waren die Popentwürfe des Dreiers aus Tromsø charmant linkisch. Man sagte ihnen sogar mal nach, so zu klingen, wie ihre Frisuren aussähen. Ihre Haare änderten sich mit der Zeit, genau wie die Musik. Strebte ihr Debüt "A new order rising" noch nach Weite, strahlte der Nachfolger "Astral sky" plötzlich in poppigem Glanz, während "Rouge/noir" mit sich selbst und ein paar zerstäubten Erwartungen spielte. Was in der nordpolaren Provinz zu träumen begonnen hatte, rückte immer näher an urbane Gepflogenheiten heran.
Mittlerweile sind die Nordlichter in einer richtigen Stadt angekommen. Sie heißt seit Jahrhunderten Berlin. Die Exil-Norweger hingegen haben sich erst kürzlich neu getauft und nennen sich nun Mount Washington. Es hatte sie nämlich auf die Palme gebracht, dass eine gewisse Megan Washington ihre Musik ebenfalls unter Washington veröffentlichte. Deren Songs und Bilder verunstalten jetzt die last.fm-Seite. Um sich von der diebischen Australierin abzugrenzen, benannte sich der Dreier nach einem Berg. Dieser Mount Washington gehört zufällig zu den ungemütlichsten Regionen des Planeten. Weil allerdings in Berlin deutlich häufiger die Sonne scheint als in der nordpolaren Heimat, geriet die Musik deutlich sonniger.
Zu den Stärken der Norweger gehört noch immer das phantasievolle Songwriting. Weil die Großstadt so modern und unruhig ist, machen sich diverse Beats breit. Die Dunkelheit des Polarkreises lässt sich allerdings auch im städtischen Licht nicht abschütteln. Das eröffnende "How does it feel?" und die leichtfüßige Vorabsingle "Lisboa" wiegen sich zum melancholischen Perlen der Gitarren. "A good run" und "Toscana" entfleuchen mit viel Hall in neo-romantische Gefilde. "No time Toulouse" spielt mit resignativem Tempo und kopfstimmiger Leidenschaft. Der Bass von "Broken home" flirtet mit Postpunk, und das abschließende "Radio silence" franst zu zittrigen Gitarren und Sägezahneletronik aus. Das kann prinzipiell einiges.
Leider hapert es bisweilen an der Ausführung. Die eckige Synthetik kommt den wellenförmig ausschwärmenden Gitarren nicht nur im Opener in die Quere. Erschreckend ist vor allem, wie matt und blechern die Produktion von Guy Sternberg (Feist, Junior Boys, Keane) und David Newfeld (Broken Social Scene, Superfurry Animals) mitunter klingt. So hakt es unangenehm im Gehör, da kann Rune Simonsen noch so sehr im Falsett schwelgen. Da singt sich jemand die Seele wund, und die Musik versinkt in gleichgültigem Geschepper. Wie schön hätte "Mount Washington" bei wenigstens ordentlicher Produktion klingen können! Aber vielleicht gehört dieses übersteuerte Autoradio-Flair ja zum romantischen Verständnis der Norweger dazu.
Highlights & Tracklist
Highlights
- A good run
- Broken home
- Radio silence
Tracklist
- How does it feel?
- Silver screen
- Lisboa
- A good run
- Toscana
- Next year
- Concords
- If ever
- Broken home
- Radio silence
Referenzen
Spotify
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- Mount Washington - Kennedy (4 Beiträge / Letzter am 22.04.2017 - 14:18 Uhr)