Vierkanttretlager - Die Natur greift an

Unter Schafen / Alive
VÖ: 27.01.2012
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Hinterm Deich

Alles vergessen: Vierkanttretlager klingen nicht wie Tocotronic, sie klingen schon gar nicht wie Blumfeld und wie die anderen Bands, mit denen sie stetig verglichen werden. Von den Texten ganz zu schweigen. Die jungen Husumer sind genau dort anzutreffen, wo Gisbert zu Knyphausen das Schlagzeug anpeitscht und Turbostaat ihre lichten Momente haben. Ihre Wut auf die Welt verpacken Vierkanttretlager in gefällige Rocksongs, die als schroffe Seemannslieder daherkommen. Da ist viel Romantik im Spiel, da ist viel Verklärung - und auch ein bisschen Selbstmitleid. "Die Natur greift an" ist zu nett, um weh zu tun.

Diese Band will die Welt aus den Angeln heben, das hört man mindestens dem zornigen Intro des Albums an. "Drei Mühlen" poltert sich durch ein ganzes Dorf voller Geheimnisse und Niedertracht. "Blutige Nasen in Einrichtungshäusern / Der Ehemann hat wohl das Falsche gekauft / Und nebenan / Auf der Windpark-Einweihungsparty / Da wird nicht geraucht" singt Max Leßmann und man möchte ihm ein Taschentuch geben. Hören sich die Texte von Leßmann noch so wohlfeil und betroffen an: Der Band nimmt man ihre Selbstzweifel und ihren Trotz ab, obwohl ihr die Worte fehlen.

Vierkanttretlager klingen immer dann am besten, wenn das alte Schifferklavier ausgepackt wird und Max Leßmann nicht wie ein Schriftsteller klingen will. Im letzten Song, "Gib Deinem Leben keinen Sinn", ist es soweit: Das Akkordeon spielt seine schweren Akkorde, die Band übergibt sich einem Beckenrausch und singt im Chor: "Zieh dieser Zeit die Beine weg / Ohne Ziel und ohne Zwang / Zieh dieser Zeit die Ohren lang". Es klingt wie eine versoffene Shanty-Band, die der Tristesse des Lebens ihre zynischen Zeilen entgegengrölt.

Die Single "Schluss aus raus", die schon seit langer Zeit mit wehenden Fahnen durch die Video-Portale zieht, ist der Zorn der Abiturienten in jede Pore geschrieben: Jung zu sein ist anstrengend, Freiheit ist anstrengend, entscheiden ist anstrengend. Die Gitarren randalieren, das Schlagzeug überschlägt sich und Vierkanttretlager überzeugen in diesen Momenten der Klarheit. Für das hübsche und gefällige "Hooligans", dem man seine elende Betroffenheits-Lyrik am liebsten um die Ohren hauen würde, wurde Rapper Casper zum Singen animiert: "Und die Hooligans aus Nummer zehn / Die singen ihr trauriges Lied / Die singen / Ihr könnt nach Hause gehen / Wenn wir wüssten / Wo das liegt". Klärt das mal und kommt dann wieder.

(Christian Preußer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Fotoalbum
  • Schluss aus raus
  • Gib Deinem Leben keinen Sinn

Tracklist

  1. Drei Mühlen
  2. Mein Ruf
  3. Zwischen den Zeilen
  4. Das neue Gold
  5. Hooligans (feat.: Casper)
  6. Fotoalbum
  7. Nur die Sonne
  8. Schluss aus raus
  9. Um Schönheit zu sehen
  10. Keine Menschen mehr
  11. In jedem seiner milden Blicke
  12. Gib Deinem Leben keinen Sinn
Gesamtspielzeit: 37:50 min

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