First Aid Kit - The lion's roar

Wichita / PIAS / Rough Trade
VÖ: 20.01.2012
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Folksbegehren

Der Titel des zweiten Albums von First Aid Kit täuscht. Denn das einzige, das auf diesem Album brüllt, ist Conor Oberst. Und das auch eher in sich hinein. Ganz am Ende von "The lion's roar" offenbart sich nach all den Jahren, dass es da einen Song gibt, der "I'm wide awake it's morning" noch perfekter gemacht hätte. "King of the world" kommt verwaschen, beinahe schlampig daher. Unscheinbarer Hippie-Folk, eine Fidel, ein paar Handclaps - und doch steht man unversehens mittendrin in diesem Song, der von vorne bis hinten nach Maisfeld riecht. Das hätte sogar Joan Baez gut zu Gesicht gestanden. Und Emmylou Harris sowieso. Kein Wunder, dass sich Conor Oberst nicht zweimal bitten ließ, hier mitzumachen.

Die Ähnlichkeiten kommen nicht von ungefähr: Produziert wurde dieses Album von Mike Mogis, der seine Brötchen als Gitarrist der Bright Eyes verdient. Schließt man die Augen, blendet die Stimmen der Söderberg-Schwestern aus und legt die Stimme von Conor Oberst drüber, dann wäre das Ergebnis genau das Album der Bright Eyes, nach dem man seit Jahren giert. Umso besser, dass Klara und Johanna Söderberg mit der ganzen Kraft ihrer gestandenen Stimmen gegen diesen irrsinnigen Vergleich ansingen. Und Conor Oberst einfach mitsingt, um vom sich mit Sicherheit einstellenden Erfolg dieses Albums nicht überrollt zu werden.

First Aid Kit sind nicht so glatt wie die Dixie Chicks und nicht so esoterisch wie Joan Baez. Sie spielen unaufgeregten Indie-Folk, mit solch geschickten Melodien, solch gewieften Arrangements, dass man ihre teils seichten Texte gar nicht erst registrieren will. Da ein Glockenspiel, hier eine Trompete, dort ein paar Streicher und unten drunter ein zaghaftes Schlagzeug. Bescheiden ist das, beinahe abgeklärt - doch in seiner ganzen Schönheit unwiderstehlich. Das geht mit dem düsteren "The lion's roar" los und hört erst eine Dreiviertelstunde später mit dem sich vor Freude überschlagenden "King of the world" auf, bei dem neben dem Bright-Eyes-Sänger auch noch die Felice Brothers mitfolken. Dieses Album weiß ganz genau, wie es den Hörer um den Finger wickeln kann.

"The lion's roar" hört sich so an, wie es sich die Coen-Brüder für "O brother, where art thou?" nicht besser hätten vorpfeifen können. Mittendrin im Amerika der 1930er Jahre. Mississippi, Kautabak und ölverschmierte Latzhosen. Bedenkt man, dass die knapp Zwanzigjährigen für die Aufnahme-Sessions zum ersten Mal in die USA gereist sind, ist das eine erstaunliche Adaption musikalischer Folklore, die ihre Heimat, den klebrigen Sumpf der Südstaaten, längst verlassen hat. Ist das so? Wird amerikanischer Folk in diesen Zeiten von Europäern am besten beherrscht? Und für wen genau ist das das Armutszeugnis? Nun, das wird First Aid Kit kaum kratzen. Denn die haben mit ihrem unpassenden Bandnamen und ihrer hervorragenden Musik schließlich genug zu tun.

(Christian Preußer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Emmylou
  • In the hearts of men
  • Dance to another tune
  • King of the world

Tracklist

  1. The lion's roar
  2. Emmylou
  3. In the hearts of men
  4. Blue
  5. This old routine
  6. To a poet
  7. I found a way
  8. Dancer to another tune
  9. New year's eve
  10. King of the world
Gesamtspielzeit: 43:05 min

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