Papercranes - Let's make babies in the woods
Manimal / CargoVÖ: 13.01.2012
Kein Scherz
Wir alle erinnern uns gut: Im Anzug, mit Sonnenbrille, Vollbart, wirrem Haar und noch wirreren Gedanken sitzt Joaquin Phoenix auf der Couch bei David Letterman und nuschelt sich durch die Sendung. Erzählt eher wenig, murmelt nur etwas von seinem neuen Film "Two lovers" und wird vom Publikum ausgelacht. Klebt seinen Kaugummi unter den Tisch und bekommt mitgeteilt, dass das ziemlich unhöflich sei. Die Leute vorm Fernseher fragen sich, was er eingeworfen haben könnte, und Letterman schafft es ganz ohne Mühe, sich über Phoenix lustig zu machen, ohne dass es allzu sehr nach Verarsche aussieht. Die angeblich angestrebte Rap-Karriere des Schauspielers entpuppte sich als im Nachhinein etwas unglücklich geratener Scherz, der für einen noch viel merkwürdigeren "Dokumentarfilm" ausgereizt wurde. Und später lachte dann keiner mehr wirklich darüber.
Viel ernster mit ihrer Karriere nahm es Rain Phoenix, die ältere Schwester von Joaquin, aber zwei Jahre jüngere Schwester von River, mit dem sie bis zu dessen Tod 1993 in der Band Aleka's Attic spielte. River Phoenix starb, bevor sie jenes sagenumwobene Album veröffentlichen konnten, das in irgendeiner Schublade liegt und von dem bisher nur einzelne Songschnipsel kursieren. Rain machte jedoch weiter mit der Musik, und neben einigen Ausflügen ins Filmgeschäft gründete sie 2003 Papercranes, deren Debüt "Vidalia" vor fünf Jahren erschien und wenig Beachtung fand - bei denen, die es sich anhörten, aber dennoch für Begeisterung sorgte. Mit "Let's make babies in the woods" erscheint mit einem Jahr Verspätung nun endlich das zweite Album der Band, deren Line-Up nicht immer ganz überschaubar ist, deren Gäste aber von Rains Schwestern Liberty und Summer bis hin zu Schauspieler Dermot Mulroney und Flea von den Red Hot Chili Peppers reichen.
Der düstere Opener "Shell" legt einen guten Start vor, das Schlagzeug hämmert sich merklich in den Gehörgang, die Akustikgitarre sorgt für den beschwichtigenden Effekt, und der Regen am Ende fühlt sich beinahe wirklich nass an. Phoenix' Stimme erinnert stellenweise an die von Regina Spektor, etwa bei der melancholischen Jazzballade "Dust season", auf der Flea an der Trompete zu hören ist. Gemeinsam vermögen die Protagonisten der Papercranes ein Album voller Atmosphäre zu schaffen. Die besungenen "Headphones" eignen sich in der Tat ideal, wenn Phoenix zwar von "a healthy dose of misery" singt, den verzweifelten Texten aber eine ganze Menge mehr abringt als den immer gleichen, anstrengenden Alles-ist-schlecht-Trott. Fast im Alleingang bestreitet sie "Synapses", das sich von einer anfänglich trübsalblasenden Ballade zu einem vom Schlagzeug durchbrochenen Alternative-Pop-Highlight entwickelt. Papercranes gelingt in weniger als einer halben Stunde etwas, wofür andere Jahre brauchen: Ihr Album erzeugt Nachwirkungen, und dafür müssen sie sich nicht mal bei David Letterman bloßstellen lassen. Den Job beherrscht Rains kleiner Bruder weitaus besser.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Shell
- Headphones
- Dust season
- Synapses
Tracklist
- Shell
- Headphones
- Long way
- Sea red
- Dust season
- Warrior
- Texas
- Synapses
- Grace
Referenzen