James McCartney - The complete EP collection
Maybe Not / Engine / Al!veVÖ: 13.01.2012
Der kleine Prinz
Ach, war das schön damals. Und so exklusiv. Da steht sie im Bad, die kleine Mary, bürstet sich die Haare, flirtet mit ihrem eigenen Spiegelbild und hantiert mit ihrer neuen Kamera rum, die sie zu Weihnachten geschenkt bekommen hat. Währenddessen trommelt die zwei Jahre jüngere Stella von draußen gegen die Tür und möchte unbedingt rein, obwohl es noch ein anderes Bad gäbe. Sie hat sich ihr schönstes Kleid angezogen, das mit der Schleife vorne, es war das fünfte, das sie anprobiert hat. Es passt am besten zu ihren Schuhen, die genauso blau sind wie ihre Augen. Unten in der Küche steht Linda am Fenster, trinkt ein Glas Wasser und schaut hinaus. Ihre Tochter Heather ist auch da, sie redet auf Linda ein, erzählt ihr von allerlei Dingen und Leuten. Linda hört zu, während sie die Küche verlässt, und öffnet die Zimmertür des Kleinsten im Hause. Und da steht James in seinem schönen Pullover und fragt: "Ist er schon da?", denn heute soll Papa Paul nach Hause kommen, und vielleicht bringt er den lustigen Onkel Ringo mit.
Gut, ob es wirklich so bei James McCartney daheim war, als er aufwuchs, darf natürlich gerne bezweifelt werden. Überhaupt dürfte es mit einem derart historischen Nachnamen nicht immer einfach gewesen sein für ihn und seine Schwestern. Und doch haben sie alle etwas aus ihrem Leben gemacht. Der mittlerweile 34-jährige James jedoch, der das gespuckte Ebenbild seines Vaters ist, versucht sich bislang als einziger musikalisch. Ein nicht gerade einfaches Vorhaben, das wissen nicht zuletzt die Lennon-Söhne. Und doch hat es der Junior geschafft, in den letzten beiden Jahren zwei durchaus respektable EPs zu veröffentlichen, die er jetzt im Paket als "The complete EP collection" auf den Markt wirft. Beide CDs wurden von Macca senior und dessen Hausproduzenten David Kahne bereitet, und sind maßgeblich von, natürlich, den Beatles beeinflusst worden, aber auch von PJ Harvey, Radiohead und Nirvana - um nur einige zu nennen. Der Einfluss des Vaters zu dessen Wings-Zeiten lässt sich schon im heiter-poppigen Opener "Angel" von der ersten CD "Available light" nur schwer verleugnen; muss er ja aber auch nicht.
Kritischer wird es, wenn sich James McCartney an den Songs anderer Künstler zu schaffen macht. Das Cover von Neil Young's "Old man" gerät zu einer eher halbgaren Aufwärmübung, die dank des stampfenden Rockers "New York times", bei dem der Junior fast so schön schreit wie sein alter Herr, und der melancholisch-süßen Hommage in "I love you dad" schnell in Vergessenheit gerät. Der zweite Teil der Sammlung, "Close at hand", gerät ambitionierter. Die emotionale Ballade "Wings of a lightest weight" ist James' Mutter Linda gewidmet, die verstarb, als er gerade mal 18 war. "Watching you fly away / Whilst your wings of a lightest weight / Carry you back through the heat of the wind / Carry you back to me", singt er und offenbart so immerhin zaghaft, dass auch in ihm das Talent für große Texte schlummert. Große Melodien dazu gibt es auf "Jesus be my friend", in dem McCartney voller Pathos mit Streicher-Arrangements die Bürde seiner Existenz aufarbeitet. Das hoffnungsvolle "Fallen angel" hingegen gönnt den dunklen Zeiten eine Erholungspause, und ganz zum Schluss wird James auf "Your true love" dann doch noch zum zweiten Paul. Das hätte er gar nicht nötig gehabt - aber das lernt der kleine McCartney auch noch.
Highlights & Tracklist
Highlights
- My friend
- New york times
- I love you dad
- I only want to be alone
- Wings of a lightest weight
- Jesus be my friend
- Fallen angel
Tracklist
- CD 1
- Angel
- Glisten
- My friend
- Denial
- Old man
- New York times (Bonus track)
- I love you dad (Bonus track)
- Moonstar (Bonus track)
- CD 2
- I only want to be alone
- Wings of a lightest weight
- The sound of my voice
- Else and else but dead
- Jesus be my friend
- Fallen angel
- Spirit guides (Bonus track)
- Your true love (Bonus track)
Referenzen