Nils Frahm - Felt

Erased Tapes / Indigo
VÖ: 07.10.2011
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Stoff für die Nacht

Nils Frahm hätte man gerne als Nachbar. Nicht nur, dass man zum Einschlafen, Aufwachen und im Optimalfall auch in Perioden von Kummer eine stilvolle Untermalung fände – nein, Frahm ist auch rücksichtsvoll. Bei seinem dritten Album "Felt" beispielsweise, nahezu ausschließlich des Nächtens aufgenommen, hat er das Klavier mit Filz gedämpft und die Tasten nur sachte angefasst. Ursprünglich um die Schlafenden nicht zu wecken, bemerkte man schnell: "Ei, wie schön." Die Mikrophone dicht an den Saiten des Instruments. Das Atmen des Interpreten und Scharren der Klaviermechanik. Dinge, die im Produktionsprozess der vermeintlichen Perfektion zu Opfer fallen und auf "Felt" einen wunderbar intimen Effekt veranlassen: nah und intensiv, gemacht für schwere Kopfhörer und Elegie.

"Old tought", schon sprachlich ein Verweis auf die Orte, an denen Melancholie lauert, erschafft mit wehmütigen Klagetönen die Sequenz eines Ackers im Winter. Irgendwo ein Tier, dem der Atem aus den Nüstern dampft. Und Nebel natürlich. Im Hintergrund ein monotones Ticken, eine zarte Melodie und immer wieder das Kreisen um einen Gedanken, der mit Hilfe von Tiefen (schmerzlich) in das Bewusstsein des Denkenden dringt. Erinnerungen, Flashbacks – Frahm versammelt sie empfindlich aufgereiht an einer Nylonschnur. Transparent und schimmernd, aber ebenso schneidend, wenn sie zu sehr ins Fleisch drücken. Auch "Familiar" spielt mit dieser Empfindung, ist sachte, deswegen nicht minder eindringlich und haut einem doch die Füße weg. Wieder dieses Ticken, das irgendwie kitschig auf das Vergehen von Zeit verweist. Das unnötig leidend klingen kann, wenn man keinen Bock auf innerliche "Ach!"s hat. Dafür aber um so zerreißender, hat man sich eine Flasche Rotwein reingefahren und aus Versehen die Abzweigung Schwermut erwischt.

Erlösend positioniert dann "More": Das letzte Stück und gleichsam der aufbäumende Moment gen Morgengrauen. Die Katharsis ist geglückt, Musiker und Hörer erheben sich, benebelt von so viel Emotion, und sinken in den traumlosen Schlaf. Ein hoffnungsloses Album - romantisch, veriebt in den Moment, schwer und leicht zugleich, Gefäß für all die sehnsüchtig-irritierenden Rückblenden, die einen überkommen. Die man abwehren kann. Oder genießen.

(Carolin Weidner)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Keep
  • Familiar
  • More

Tracklist

  1. Keep
  2. Less
  3. Familiar
  4. Unter
  5. Old thought
  6. Snippet
  7. Kind
  8. Pause
  9. More
Gesamtspielzeit: 43:00 min

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