Scorpions - Comeblack
Columbia / SonyVÖ: 04.11.2011
Und tschüss!
Manchmal sagt es niemand so schön wie Amazon-Rezensenten. "Ich bin davon überzeugt, dass sie ihrem exzellenten Ruf damit nur schaden", resümiert in dem Online-Shop der enttäuschte Scorpions-Fan Ritchy am Ende seines vernichtenden Urteils über "Comeblack", das karriereabrundende letzte Album der Band. Und das ist wahrlich eine Aussage, vor deren Mischung aus messerscharfer Analyse und schillerndem Realitätsverlust man nur noch andächtig in die Knie gehen kann. Oder die man eben zum Anlass nimmt, endlich die strahlende Wahrheit zu erkennen: Nach 46 glorreichen Karriere-Jahren nun ein Schandfleck auf der blütenweißen Spandex-Hose der Scorpions! Der Band, die einst die Berliner Mauer zusammengepfiffen hat! Der Band, dank deren weltmännischem Charisma man bei Hannover erst als zweites an ein Flair zwischen altem Graubrot und Agrar-Fachmesse denkt! Der Band, die geschmackssicher wie keine Zweite in beinahe fünf Dekaden jede Peinlichkeit vermieden hat! Die sich auf gleichbleibend hohem Niveau immer wieder neu erfunden hat, ohne ihre musikalische Identität zu verlieren! Die für die Evolution der Rockmusik wichtiger war als die Beatles, Bob Dylan und Radiohead zusammen!
Doch nun das: "Comeblack", eine Ejaculatio praecox von Album, ein vorzeitiger Erguss zwischen Best Of, Tribute und privater Altersvorsorge. Nicht nur kommt die Platte zu früh, weil die Scorpions noch bis Mitte 2012 auf ihrer Abschiedstournee unterwegs sind und mit einer finalen Platte schon zu diesem Zeitpunkt wie die senilen Bettflüchtigen unter den Musik-Rentnern in spe wirken. Sie liefert mit ihrem pointenfrei augenzwinkernden Wortspiel von Titel auch einen ganz guten Einblick, was man im Scorpions-Universum unter Sprachwitz versteht. Vor allem aber zerkocht die streng dreigeteilte Platte tatsächlich jede musikalische Restwürde der Band: Zum Einstieg erstrahlen auf "Comeblack" zunächst fünf absolute Klassiker aus der Hardrock- und Metal-Ära der Band in einer keimfreien Hochglanz-Produktion - glatter und langweiliger haben Hits wie "No one like you" oder "Blackout" sicher noch nie geklungen. Immerhin müssen sie keine solche Grausamkeit erdulden wie das ewige "Rock you like a hurricane", bei dem Klaus Meines Gesang im Intro elektronisch verziert wurde. All das ist besonders ärgerlich, weil die genannten Songs nicht weniger als - Heavy-Metal-Hasser, seid tapfer - brillant sind und zu ihrer Zeit stilbildend wirkten.
Das gilt eingeschränkt auch noch für die Ballade "Still loving you", während man dem heute unwiderruflich zur Kitsch-Schmonzette verkommenen "Wind of change" zumindest seine Berechtigung als Zeitgeist-Phänomen und Umbruchs-Soundtrack der 90er zugestehen muss. Richtig fies wird die überproduzierte und unterdurchdachte Chose auch erst mit den abschließenden sechs Coverversionen: Wie die Band dort Klassiker der Rockgeschichte in öden Scorpions-Käserock verwandelt, entspricht in etwa einem Schönheitschirurgen, der jeden individuellen Reiz in die immer gleich hässlichen Silikonbrüste verwandelt. Gefühlloses Handwerk, dass vor allem "Across the universe" von den Beatles und "Ruby tuesday" von den Rolling Stones so schwer zusetzt, dass die eigentlich wunderschönen Titel plötzlich wie schmalzigster Kirmes-Hardrock klingen. Die Amazon-Bewerter stört das wenn überhaupt deutlich weniger, als die Geldschneiderei mit einem Album voller alter, schlecht neu aufgenommener Scorpions-Songs und Coverversionen. Nach Ansicht von Fünf-Sterne-Vergeber psychobimbo69 (sic!) tilgt "Comeblack" sogar noch deutlicher als sein Vorgänger "Sting in the tail" das bis vor kurzem gültige Bild, nach dem man "die Scorpions als Altherrenband, Schnulzenkapelle und Chartshow-Peinlichkeitsfaktor abschreiben konnte." Selbst, wenn sie auf das Gegenteil hinaus wollen, sagen es die Amazon-Rezensenten manchmal am schönsten.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Blackout
Tracklist
- Rhythm of love
- No one like you
- The zoo
- Rock you like a hurricane
- Blackout
- Wind of change
- Still loving you
- Tainted love
- Children of the revolution
- Across the universe
- Tin soldier
- All day and all of the night
- Ruby tuesday
Referenzen
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