Throwing Muses - Anthology

4AD / Beggars / Indigo
VÖ: 02.09.2011
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Heute mal bipolar

Ich war einigermaßen fassungslos von dem Inhalt dieser wabbeligen EP-Beilage des NME, die ich im Herbst 1988 in den Händen hielt: "Electrify your head", rief mir Kristin Hersh entgegen, wie sie es kurz vorher auf dem Reading-Festival getan hatte. Dabei aber mit einer Energie und mit einem Tempo, die "Maniac" leider später in der Studioversion auf dem dritten Studioalbum "Hunkpapa" etwas vermissen ließ - die Liveversion war sehr viel näher an der manischen Depression, die Hersh und sicher auch viele Songs der Throwing Muses geprägt hat. Doch davon ahnte ich nichts, bis ich kurze Zeit später die damals aktuelle CD "House tornado" erstand und schon anhand des Openers "Colder" feststellen konnte, dass die Throwing Muses auf Albumlänge deutlich komplexere Stücke als reinen Power-Gitarren-Pop abliefern. Immerhin fand sich mit "Marriage Tree" ein weiteres tolles Up-Tempo-Stück auf der Scheibe.

Dass sich Throwing Muses mit ihrem zweiten Album musikalisch schon auf den Weg in eine etwas freundlichere Zeit begeben hatten, macht das erste selbstbetitelte Album deutlich. Hersh, die mit 16 und ihrer Halbschwester Tanja Donelly die Throwing Muses 1986 gegründet hatte, war eine junge Mutter, deren Texte ihrem Taumeln durch das eigene Leben Ausdruck verliehen. Auch 25 Jahre später, zum Erscheinen der Doppel-CD-Sammlung "Anthology" ist die emotionale Wucht, die aus Liedern wie "Hate my way" spricht, beeindruckend. Hinzu kommt mit David Narcizo ein Drummer, dessen Spiel, wie etwa schon in "Vicky's box" zu bewundern, die oft sperrige Struktur der Songs mit vielen Tempowechseln perfekt unterstützt.

Das hat sich auch bei den jüngeren Stücken wie "Pretty or not" nicht geändert. Ebensowenig geändert hat sich die Tatsache, dass die Throwing Muses nur selten den leichten Weg gegangen sind. So sind die Songs auf "Anthology" einer persönlichen Auswahl folgend sortiert, die auch einige Raritäten wie etwa "Finished" von der Compilation "In a doghouse" einschließt. Dafür fehlen einige durchaus zu erwartende Songs, wie etwa das Duett "Dio" mit Bob Mould oder die College-Chart-Erfolge "Counting Backwards" und "Dizzy". Die zweite CD dieser limitierten Erstauflage enthält dann B-Seiten und weitere Raritäten, darunter auch Live-Versionen und alternative Aufnahmen, die die Darstellung der Vielschichtigkeit komplettieren.

Dagegen hat es keiner der neuen Songs, die man auf kristinhersh.com als Demoversionen herunterladen kann, auf das Album geschafft. Das macht aber nichts, denn "Anthology" selbst präsentiert auch so genug exzellentes und seltenes Material, bei dem man prima darüber nachdenken kann, ob einem das eigene Leben in der Zeit eine ähnlich große Spannbreite zwischen Freud und Leid beschert hat. Was aber wie meist bei den Throwing Muses voraussetzt, dass man beim Zuhören nicht vor lauter Begeisterung gleich selbst in Depressionen oder manische Glückszustände verfällt.

(Holger Schauer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Marriage tree
  • Hate my way
  • Colder
  • Amazing Grace

Tracklist

  • CD 1
    1. Garoux des larmes
    2. Finished
    3. A feeling
    4. Marriage tree
    5. Fish
    6. Hate my way
    7. No way in hell
    8. Colder
    9. Tar kissers
    10. Mr. Bones
    11. Limbo
    12. Summer St.
    13. Furious
    14. Bright yellow gun
    15. Pretty or not
    16. Flying
    17. You cage
    18. Two step
    19. Vicky's box
    20. Mania
    21. Cry baby cry
  • CD 2
    1. Hillbilly
    2. Same sun
    3. Amazing grace
    4. Cottonmouth
    5. Cry baby cry
    6. Manic depression
    7. Snailhead
    8. City of the dead
    9. Jak
    10. Ride into the sun
    11. Handsome woman
    12. Like a dog
    13. Crayon sun
    14. Red eyes
    15. Tar moochers
    16. Serene swing
    17. Limbobo
    18. If
    19. Heel toe
    20. Take (Live)
    21. Finished (Live)
    22. Back road (Matter of degrees)
Gesamtspielzeit: 155:59 min

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