Paul Simon - Songwriter
Columbia / SonyVÖ: 21.10.2011
So beautiful and so what
Wie heißen noch gleich diese Dinger, die an der Supermarktkasse zwischen die Waren gelegt werden? Gab's dafür nicht einen speziellen Namen? Bei Paul Simon ist das ganz einfach: Die Dinger, die seine Studioalben voneinander abtrennen, heißen Best-Of-Compilations. Seit Mitte der Achtziger hält er ganz akkurat die Reihenfolge "reguläres Album, Retrospektive, reguläres Album, Retrospektive" ein. Was uns den unnötigen Luxus beschert, alleine seit der Jahrtausendwende aus vier Greatest-Hits-Kopplungen auswählen zu können. Die neueste, Anlass dafür war Simons 70. Geburtstag, trägt den schlichten Titel "Songwriter" und versammelt auf zwei CDs 32 Lieder aus 40 Jahren. Auch wenn knapp zwei Drittel dieser Stücke bereits auf der erst 2007 erschienenen Compilation "The essential Paul Simon" zu hören waren, kann die neueste Zusammenstellung immerhin mit einer Besonderheit aufwarten: Simon hat die Lieder allesamt höchstpersönlich ausgewählt und kompiliert. Und zwar nicht nur seine erfolgreichsten Stücke, sondern auch bislang eher unbeachtete Album-Perlen.
Über Simons großartiges Gesamtwerk, insbesondere im Duo mit Art Garfunkel, über sein außergewöhnliches Talent als Komponist und vor allem auch als Lyriker, muss man nun wirklich nicht mehr diskutieren - wohl aber über das etwas fragwürdige Trio, mit dem "Songwriter" die Werkschau eröffnet: Eine Live-Version von "The sound of silence" aus dem Jahr 2011, in der die Akustikgitarre sensationell wie eh und je klingt, aber Simons dezent graumeliert wirkende Stimme dann doch den himmelblauen Harmoniegesang von Art Garfunkel vermissen lässt. Eine Fassung von "The boxer", aufgenommen 1991 im Central Park, die von penetrantem Publikumsgeklatschte fachgerecht tranchiert wird. Und eine von Aretha Franklin dargebotene Soul-Variante von "Bridge over troubled water", die aus dem Klassiker des letzten Simon-&-Garfunkel-Longplayers einen fast komplett neuen Song macht, der zweifelsohne hervorragend ist und wirklich überall hingehört, nur eben nicht auf ein Album von Paul Simon.
Weitere Stücke aus der Simon-&-Garfunkel-Ära hat "Songwriter" nicht zu bieten, sondern ausschließlich Lieder aus Simons Soloalben. Kurz gesagt: Auf CD 1 sind die Hits, auf CD 2 die Weltmusik. Es fällt nicht ganz leicht, mit Simons Schaffen ab "The rhythm of the saints", dem Album nach dem unmöglich zu toppenden Meisterwerk "Graceland", auf Anhieb warm zu werden. Man kann das Ganze allerdings auch positiv sehen: Simons Melodien sind sozialer geworden - sie ordnen sich gerne dem Rhythmus unter und sind klaglos dazu bereit, symbiotische Beziehungen mit gefühlten zehntausend Trommeln, diversen exotischen Percussion-Instrumenten und unzähligen sich selbst verwirklichenden Akustikgitarren einzugehen. Erst Simons aktuelles Album "So beautiful or so what" hat sich wieder etwas von seinen Vorgängern emanzipiert, gleich drei Nummern daraus sind auf "Songwriter" vertreten: der herrliche Beinahe-Rap "Rewrite", die rührende Ballade "Love and hard times" und der zum Nachkochen geeignete Titeltrack - "I'm going to make a chicken gumbo / Toss some sausage in the pot / I'm going to flavor it with okra / Cayenne pepper to make it hot".
Dass Simons altbewährte Rezepte dann aber doch noch mit Abstand am besten munden, beweist die Highlight-Dichte auf CD1: "Mother and child reunion", "American tune", das hinreißende "Something so right" vom Album mit dem lustigen Titel "There goes rhymin' Simon" aus dem Jahr 1973, das grandios groovende "Late in the evening", die Farbfilm-Ode "Kodachrome", das wunderbar nostalgische "Still crazy after all these years" mit seinem legendären Fender-Rhodes-Intro, "Diamonds on the soles of her shoes" mit den unvergesslichen Gast-Vocals von Ladysmith Black Mambazo und schließlich "Graceland", auf dem tatsächlich The Everly Brothers im Hintergrund singen. All das erfährt man in der ausführlichen Song-Chronik im Booklet, die nicht nur jeden Beteiligten aufführt, sondern auch noch alle Texte souffliert. Leider steht darin nicht, wie Simon das Fehlen von "Me and Julio down by the schoolyard", "50 ways to leave your lover" oder "You can call me Al" zu rechtfertigen gedenkt. Und so muss das Fazit an der Supermarktkasse bedauerlicherweise lauten: Treuepunkte ja, Bonuspunkte nein.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Mother and child reunion
- American tune
- Kodachrome
- Something so right
- Still crazy after all these years
- Graceland
- Rewrite
- Love and hard times
Tracklist
- CD 1
- The sound of silence (Live at Webster Hall, 2011)
- The boxer (Live at Central Park, 1991)
- Bridge over troubled water (Aretha Franklin)
- Mother and child reunion
- Tenderness
- Peace like a river
- American tune
- Kodachrome
- Something so right
- Late in the evening
- Train in the distance
- Hearts and bones
- Still crazy after all these years
- René and Georgette Magritte with their dog after the war
- Diamonds on the soles of her shoes
- The boy in the bubble
- Graceland
- CD 2
- The obvious child
- Further to fly
- The cool, cool river
- Spirit voices
- Born in Puerto Rico
- Quality
- Darling Lorraine
- Look at that
- Señorita with a necklace of tears
- That's me
- Another galaxy
- Father and daughter
- Rewrite
- Love and hard times
- So beautiful or so what
Referenzen
Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv
Threads im Forum
- Paul Simon (69 Beiträge / Letzter am 27.03.2024 - 18:22 Uhr)
- Paul Simon - Seven Psalms (2 Beiträge / Letzter am 31.05.2023 - 21:15 Uhr)
- Paul Simon - In the Blue Light (3 Beiträge / Letzter am 22.09.2018 - 20:11 Uhr)
- Paul Simon - Stranger to stranger (15 Beiträge / Letzter am 16.06.2016 - 19:02 Uhr)
- Paul Simon & Sting live (Gemeinsame Tour) (5 Beiträge / Letzter am 27.03.2015 - 22:16 Uhr)