EA80 - Definitiv: Nein!

Slowboy / Cargo
VÖ: 25.11.2011
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Glut und Asche

Irgendwann musste es so weit kommen. Die letzte Kippe war aufgeraucht, die Erinnerung an die letzte Release-Fete war verblasst wie alte Polaroid-Aufnahmen eines Juz-Konzerts aus den 80ern, eine ungefähre Ahnung von Songideen war so weit im Kasten - Zeit für EA80, es noch mal mit einer neuen Platte zu versuchen. Wann genau das geschehen ist, ist nicht überliefert. Die Presseinfo zur hier dechiffrierten Platte enthält statt Text vorwiegend mehr schwarze Balken als ein tiefenzensierter Pornofilm. Die Bandhomepage von EA80 ist eine Baustelle mit Startseite, die lediglich den Bandnamen gassi führt. Die Band selbst macht sich derweil selbst in Fanzines rarer als manch Hollywood-Diva in der Gala. Facebook? Was ist das überhaupt? Wer seine Punk-Releaseliste nicht regelmäßig auf dem neuesten Stand hält wie das Auto-Update ein Windows-Betriessystem, der könnte die neue EA80-Platte "Definitiv: Nein!" glatt verpassen. Das haben sie nicht verdient. Mal wieder nicht.

Das alles ist natürlich kein Vertriebs-Unfall. Sondern liebgewonnene Underdog-Strategie, die keinen Plan hat, weil sie keinen Plan haben will. So unaufgeregt aufgeregt achteln EA80 Akkorde ab Takt eins, mit so wenigen Studioeffekten kleistern sie ihre Kleinode auf dieser Platte zu, dass es auch auf der Startseite falsch abgebogene Nickelback-Fans mitbekommen müssten: EA80 geht es um ihre Musik, nicht um das Getöse darum. Marktgesetze wollen sie nicht bedienen, einen Personenenkult befeuern, den sie als Sprungbrett und Inspirationsquell von Turbostaat über ...But Alive bis Muff Potter durchaus befeuern könnten, befeuern sie nicht. Im Titelsong von "Definitiv: Nein" lassen EA80 ungeschminkte Schrabbelakkorde von der Leine, die wie aus einer Zeit klingen, in der mehr als drei Knöpfe auf der TV-Fernbedienung unnötiger Luxus waren. Sänger Junge holt tief Luft und brüllt seinen Mitmusikern ein "Nein!" entgegen, das Hausbesetzer und Mitleser gleichermaßen verschrecken könnte. Auch hier keine Folge von Aufmerksamkeitsdefizit - sondern lediglich ein dingfest gemachter Punksong einer Punkband, die nach gut dreißig Jahren weiß, wie man Punksongs dingfest machen kann.

Kurz davor abgehört und für fantastisch befunden: der Begrüßungssong der Platte, "Fort von krank". Nirgends auf diesem Album ist es stärker hörbar, wie schwer ersetzbar diese Band noch heute in ihren besten Momenten ist. Noch bevor auch nur ein Akkord angeschnoddert ist, stimmen EA80 ihre Gitarren unisono auf Pauschalpreis-Moll, zählen an bis vier und schreddern drauflos. In einem Song, der genug Projektionsfläche für den Frust gleich mehrerer Menschenleben bietet. In einer Nummer, in der zu akkurat geschrubbten Gitarren Sänger Junge sein ganzes Timbre legt: "Dieser Alltag macht Dich krank / Du kannst ihm nicht entkommen." Später werden EA80 in "Vor dem Untergang" Melodie und knochentrocken gespielten Punkrock miteinander bekannt machen und mindestens drei Songs so laut werden, als wären sie forever young und in einem Gladbacher Juz kurz davor, Hausverbot zu kriegen - 1980, als damals alles begann. Das nennt sich stilbildend.

(Sven Cadario)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Fort von krank
  • Vor dem Untergang
  • Die Seuche

Tracklist

  1. Fort von krank
  2. Definitiv: Nein!
  3. Zwischen 0 und 12
  4. Armer Arm
  5. Vor dem Untergang
  6. Ritalin 11
  7. Bestandteile
  8. Menschmaschine
  9. Die Seuche
Gesamtspielzeit: 40:47 min

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  • EA80 (13 Beiträge / Letzter am 29.03.2023 - 22:00 Uhr)