Forest Fire - Staring at the X

Fat Cat / Rough Trade
VÖ: 21.10.2011
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Henkers Mahlzeit

Banjo oder Freakout? Eine Frage, vor der irgendwann jede Band steht, die sich Indie-Folk auf die Fahnen geschrieben hat. Dass man Forest Fire aus Brooklyn für ihr erstes Album "Survival" das Etikett "Cosmic Americana" verpasst hatte, weist in eine eher verschrobene Richtung - dabei will das Quartett um Sänger Mark Thresher doch eigentlich nur spielen. Verweist auf die Beatles als einen Haupteinfluss und streicht heraus, das Songwriting sei diesmal ausgesprochen klassisch geraten. Nicht dass "Staring at the X" sonderlich nach dem einen oder dem anderen klingen würde - und wer zusätzlich noch Fleet Foxes oder Bon Iver als Bezugspunkte bemüht, sollte einmal überprüfen, ob er nicht zumindest zeitweilig im falschen Wald steht. Denn auch auf dem zweiten Album von Forest Fire bleibt alles anders. Es ist ein ominöses, fortwährend mutierendes X, das die drei Jungs und das Mädel im akustischen Blickfeld haben, statt bloß auf Ziegen zu starren.

Doch zugegeben: Man könnte schon an die für diese Art Paarhufer typische Barttracht denken, wenn Thresher seinen zwischen elegisch knödelnd und waidwund pendelnden Gesang anstimmt, der zuallererst an Taylor Kirks Anrufungen der eigenen Dämonen bei Timber Timbre gemahnt. "Born into" gibt sich eine knappe Minute lang als verhalltes Post-Rock-Intro aus, bevor ein eigentümlicher Groove zu entrückt croonender Stimme einsetzt und eine knurrende Gitarre aus dem Hintergrund tritt, die sich immer mehr aufplustert. Anschließend lässt ein unbeirrbar auf der Stelle tretender Backbeat sich gleichzeitig von rhythmischen Reverbs in den Allerwertesten pieksen und von fließenden Keyboardflächen den Bauch pinseln. Und während man noch wartet, dass "Future shadows" so richtig losgeht, haben Forest Fire ihre Hypno-Qualitäten bereits voll ausgespielt - und würgen das Stück beim ersten Anflug akustischen Zupfens rigoros ab. Folk im eigentlichen Sinne wird das hier ohnehin im Leben nicht mehr.

Recht haben sie. Spätestens wenn "They pray execution style" die geisterhafte Dimension von "Staring at the X" noch einmal potenziert. Entleibter Disco-Funk hüpft gemeinsam mit den außerirdischsten Kim-Gordon-Momenten von Sonic Youth auf einem Bein, während Bassistin Natalie Stormann höchst obskure Ratschläge halluziniert: "Don't paint the fence / Don't mow the lawn / Don't go to the doctor / Don't smile for the neighbours." Eine beeindruckend finster glitzernde Spacecake-Henkersmahlzeit - und der Höhepunkt eines köstlich beunruhigenden Albums. Da sind die barschen Gitarrenschläge und das rabiat zerlegte Saxophon aus dem vergleichsweise sonnigen "The news" oder der Feedback-Donner von "Blank appeal" plötzlich nur halb so schlimm. Beziehungsweise schön. Und ist es fast schon eine Erholung, wenn die letzten Songs allmählich in sich zusammenfallen und "Visions in plastic" schließlich mit Schellenkranz und versöhnlicher Klampfe etwas anstimmt, das man fast am Lagerfeuer spielen könnte. Folk gar?

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Future shadows
  • The news
  • They pray execution style

Tracklist

  1. Born into
  2. Future shadows
  3. The news
  4. They pray execution style
  5. Staring at the X
  6. Blank appeal
  7. Mtns are mtns
  8. Visions in plastic
Gesamtspielzeit: 34:38 min

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