Nneka - Soul is heavy
Four / SonyVÖ: 07.10.2011
Schwer erziehbar
Mit Geheimtipps ist es so eine Sache. Vor drei Jahren hatte die Deutsch-Nigerianerin Nneka Egbuna "No longer at ease" veröffentlicht, auf dem sie Reggae, HipHop und R'n'B angenehm ungestüm verquirlte. Den größten Wiedererkennungswert verschaffte dem Album dabei allerdings Lauryn Hill, an deren einziges Solowerk Ästhetik und Sound von "No longer at ease" immer wieder erinnerten. Dabei war sie nicht mal beteiligt. Allerdings gab's auch noch das umwerfende "Heartbeat", dessen wilder Beat wie pures Adrenalin durchs Blut pumpte und das damit sogar in die Plattentests.de-Jahresfavoriten stürmte. Auch wenn Nneka noch merklich an ihren Vorbildern hing, sorgte das Potenzial, das spürbar explodieren wollte, für ordentlich Wirbel.
Jetzt kommt Nnekas Drittwerk, und die Mundpropaganda war inzwischen nicht untätig. Sie stand auf David Lettermans Bühne, Lenny Kravitz nahm sie mit auf Europatournee, und The Roots ernannten sie gar zur Schwester. Internationale Beachtung für Musik aus deutschen Landen gibt's ja nicht jeden Sommer, und wenn es dann auch noch um cleveren R'n'B geht, darf die Vorfreude gerne etwas größer sein. Als hätte Nneka geahnt, dass sie mit einer weiteren Lauryn-Hill-Kopie nicht durchkommen würde, bläst sie gleich zum wuchtigen Angriff. Zum Einstieg von "Soul is heavy" spuckt Nneka große Dub-Töne gegen die aus den Fugen geratene Finanzwelt. Dieses "Lucifer (No doubt)" taumelt um Echos und Synkopen herum und ist gleich die beseelte Reggaehymne, die man sich erhofft hatte.
In "Sleep" untergräbt Nneka die eigene Zuckermelodie gemeinsam mit Ms Dynamite mit TripHop und verwirbelten Harmonien. Die Single "My home" beginnt mit klassischem Klavier, flirtet mit prunkvollen Bläsersätzen und entfernt sich doch nicht vom satten Offbeat. Der beeindruckende Einstieg zeigt, wie Nneka ihr Universum erweitert hat. Wo der Vorgänger von eher schlichten Popnummern ausgebremst wurde, verpasst sie "Shining star" oder dem verträumten "J" mit trickreichen Spielereien einen doppelten Boden. Mal lässt sie ihre afrikanischen Wurzeln gegen spanische Gitarren anlärmen, mal verteilt sie Spitzen mit dissonanten Geigen und grollenden Saiten. Das Schanzenviertel trifft auf die feuchte Hitze des Niger-Deltas und die gewiefte Urbanität von Brooklyn.
Während sie von einem Genre ins nächste kippt, stellt Nneka ihre Songs in den Mittelpunkt und durchlebt in ihnen die politisch aufgeladenen Botschaften. "Restless" entwickelt sich von der niedergeschlagenen Klage hin zum tumultösen Aufbegehren. Das unruhige "Don't even think" wird durch die samtenen Streicher noch nachdrücklicher. Im Titelstück wuchten die Beats an ihrem zärtlichen Folkzupfen vorbei, und im explodierenden "Do you love me now" fordert sie die Zuneigung im Alleingang ein. Wenn es der Song will, bändigt sie ihre schnelle Zunge und legt ihre gesamte Seele aufs Stimmband. Patentiertes Kopfnicken trifft auf zerbrechliche Mädchenträume. Kifferbässe arrangieren sich mit singenden Sägen und himmlischen Harfen. Was bei anderen für ein Album reichen muss, passiert hier in einem Song. "Stay" steht stellvertretend für den Mut zum Anderssein und die Kraft zur Versöhnung. Ein Ja zum Leben. "Soul is heavy" heißt nicht nur so.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Lucifer (No doubt)
- Restless
- Don't even think
- Stay
- Soul is heavy
Tracklist
- Lucifer (No doubt)
- Sleep (feat. Ms Dynamite)
- My home
- Shining star
- Restless
- Don't even think
- J
- Stay
- Soul is heavy
- Do you love me now
- Valley
- V.I.P.
- Camouflage
- God nows why (feat. Black Thought)
- Still I rise
Referenzen
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