Loch Lomond - Little me will start a storm
Tender Loving Empire / Chemikal Underground / Rough TradeVÖ: 18.11.2011
Die Traumfänger
Träume sind meist zu kurz, um wahr zu sein. Als flüchtige Begleiter wechseln sie häufiger als viele ihre Unterhosen, und nur ein Bruchteil bleibt lebendig und im Gedächtnis. Ritchie Young, Sänger bei der amerikanischen Band Loch Lomond, möchte die gehuschten Gedankenkonstrukte länger festhalten und schreibt sie sodann nieder als Songs. Deshalb fußen einige Tracks auf "Little me will start a storm" auf seinen Träumen. Lyrisch, versteht sich. "Elephants & little girls" ist so eine Nummer, die mit Streichern und Glöckchen ohnehin entschwebt, und noch ehe der Chor seinen Einsatz hat, erzählt Young vom dem Ritt auf dem Rücken eines Elefanten: "Now we're having fun, now we're living lives." "Die unendliche Geschichte" mit Benjamin Blümchen statt Fuchur: Das hat was.
Dass mit Loch Lomond eine weitere Band aus Portland, Oregon, kommt, verwundert bei dem schier unerschöpflichen Kreativitätspotential der Stadt kaum noch. Anfangs war nur Young da, dann einzelne, wechselnde Musiker und nun ein Sextett, das sich anfangs The Mountains nennen wollte, aber davon absah, weil bereits viele andere Gruppen die Berge im Namen tragen. Also entschieden sich die gelernten Lehrer, PC-Programmierer und Klein-Unternehmer für einen Aufdruck eines Päckchens aus Schottland. Kern ihrer Arbeit sind weiterhin die Gedankenflüsse von Young und seine stimmliche Varianz. Mal, etwa bei "I love me", hat er was von Nada Surfs Matthew Caws, dann wieder wechselt er vom Tenor ins Falsett wie bei "Elephants & little girls". Die Stimme verleiht den Songs eine weitere Ebene der Dynamik, was gerade dann auffällt, wenn einige Tracks die Klimax daheim lassen.
Das keltisch-folkloristisch angehauchte "Blood bank" wiederholt seine Introsequenz aus diversen Streich- und Saiteninstrumenten stetig, ein klassischer Refrain fehlt - ebenso bei "Blue lead fences", das zudem das Vibraphon klöppelt und ein wohltuendes Duett aus The Decemberists und Fleetwood Mac sein könnte. Das instrumentale "Water bells" postiert ein Theremin, an anderer Stelle klingeln Glockenspiel und streichen Mandolinen: Für "Little me will start a storm" benötigen Loch Lomond mehr als eine Abstellkammer, ihre Instrumente füllen vermutlich ein ganzes Lagerhaus. Ganz bodenständig erklingt dagegen die Akustikgitarre in "Earth has moved again", wo das Instrument Töne in Gänze ausklingen lässt.
"Blood bank" ist vielleicht nicht der beste, aber ein weiterer Beleg dafür, dass sich Loch Lomond zwar im Folk wohl fühlen, bei Songs wie "I love me" oder "Tic" die Verweise zu R.E.M. der mittleren 1990er Jahre aber ganz gewollt sind. Dass Young behauptet, seit Jahren kaum Musik zu hören, auch aus dem Selbstprotektionismus heraus, sich nicht beeinflussen zu lassen, wirkt etwas irreal, ist aber vielleicht die erwartbare Aussage eines standhaften Träumers. Solange Ergebnisse wie der fabulöse Schlusstrack dabei herauskommen, darf das auch vollkommen egal sein. In "Alice has left with stockings and earrings" durchwandert Youngs Stimme das gesamte Notenspektrum, erhält dennoch Unterstützung seiner Bandkollegin, während Streicher das Zusammenspiel von Piano und Akustikgitarre ummanteln. Da legt sogar der Sandmann die Schaufel mit den Augenkörnchen beiseite. Wo er schon mal da ist: Heute Abend bei Ritchie Young? Selbe Zeit, selber Ort? Abgemacht!
Highlights & Tracklist
Highlights
- Elephants & little girls
- I love me
- Earth has moved again
- Alice has left with stockings and earrings
Tracklist
- Blue lead fences
- Elephants & little girls
- I love me
- Tic (Bonus track)
- Blood bank
- Water bells
- Earth has moved again
- Water in Astoria
- Made of ink (Bonus track)
- Egg song
- Alice has left with stockings and earrings
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