Crystal Antlers - Two-way mirror

Recreation Ltd. / Cargo
VÖ: 16.09.2011
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Blitz & Donner

Das legendäre Indie-Label Touch & Go sah sich 2009 gezwungen, einen radikalen Kahlschlag zu machen. Ambitionierter Indie-Rock, gerne auch spröde und noise-verliebt, verkauft sich nunmal nicht wie geschnitten Brot, selbst wenn eine Extraportion Leidenschaft drinsteckt. Und da Touch & Go genau für diese Gangart unkonventioneller Rockmusik stand, musste man Konsequenzen ziehen. Das alte Leid mit dem schnöden Mammon. "Tentacles", das Debüt von Crystal Antlers, ist bis heute einer der letzten Platten, die beim US-amerikanischen Traditionslabel erschien. Infolge begann auch für die Band aus Long Beach, Kalifornien, die gefühlsmäßig verzichtbare Suche nach einem neuen Label. Schlussendlich sind sie beim kleinen Label Recreation Ltd. gelandet und dürfen nun, auf ihrem Zweitwerk "Two-way mirror", endlich wieder das tun, was sie am liebsten machen: Heillos verspulten Indie-Rock mit bunten Melodien schminken, um ihn danach mit Noise-Attacken zu malträtieren. Dabei grinsen sie diebisch, weil es ein höllischer Spaß ist. Der Zuhörer grinst zufrieden mit.

"Two-way mirror" ist in der Gesamtsicht und trotz der widrigen Umstände ein fabelhafter Nachfolger geworden und erinnert in seiner ungestümen Dringlichkeit an das Indie-Meisterwerk "Source tags & codes". Ähnlich wie ...And You Will Know Us By The Trail Of Dead im Jahr 2002 bauen Crystal Antlers über die Dauer der elf Stücke einen regelrechten Spannungsbogen auf, reißen Stücke nur an und lassen sie auf halbem Weg verkümmern. Es brodelt, es kitzelt, es kribbelt. Es blitzt, donnert und grollt. "Séance" ist in seiner Dynamik einzigartig und segelt damit auf offener See, stemmt sich gegen den unbarmherzigen Orkan und geht am Ende mit wehenden Flaggen im Gitarren-Feedback unter. Das folgende "Summer solstice" gemahnt in seiner melodiösen Grundausrichtung an Stücke von Death Cab For Cutie, eingespielt von einem Haufen wahnsinniger Drone-Rock-Hippies. Dieses Stück ist das Paradebeispiel für die unheilige, exogene Kollision von Pop und Noise, die auf "Two-way mirror" eine zentrale Position einnimmt.

Mit "By the sawkill" gniedeln sich Crystal Antlers in die Herzen aller, die gerne mit der Bratpfanne geweckt werden: Der Song beginnt mit einem The-Mars-Volta-Gedächtnisriff, wird dann aber doch kompakter als es ein Stück der beiden wirren Wuschelköpfe jemals sein könnte. Crystal Antlers klingen auf ihrer zweiten Platte weit weniger funkig-jazzig als noch auf "Tentacles", sie reichern ihren Indierock mit Post-Hardcore, Freak-Folk und Noise-Elementen an und fahren damit sehr gut. Erinnerungen an das Debüt von Portugal. The Man werden wach, auch wenn "Two-way mirror" noch etwas sehnsuchtsvoller erscheint, die Stimme hier knurriger ist und die Ausbrüche unvermittelter kommen. Der abschließende Sechseinhalbminüter "Dog days" ist ein weiterer Höhepunkt auf diesem Album, die raschen Tempowechsel, wie auch die spacigen Gitarrenparts, lassen den Song wachsen, bis er sich mit breiten Schultern vor einem aufbäumt. Aus jeder Pore tropft hier das Selbstvertrauen. Was sie nicht umbringt, macht sie nur stärker? Trifft in diesem Fall wohl wirklich zu.

(Kevin Holtmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Séance
  • Summer solstice
  • Dog days

Tracklist

  1. Jules' story
  2. Séance
  3. Summer solstice
  4. By the sawkill
  5. Two-way mirror
  6. Way out
  7. Fortune telling
  8. Always afraid
  9. Knee deep
  10. Sun-bleached
  11. Dog days
Gesamtspielzeit: 34:43 min

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