Götz Widmann - Ahoi

Ahuga / Al!ve
VÖ: 07.10.2011
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
5/10

Haschisch macht harmlos

Götz Widmann ist eine Institution der deutschen Liedermacher-Szene. Zwar war der in Bayern geborene und in Heidelberg aufgewachsene Akustik-Gitarrist nie so philosophisch-hintergründig wie Funny Van Dannen, nie so lyrisch-melancholisch wie Element Of Crimes Sven Regener und nie so aggressiv pubertär wie die Monsters Of Liedermaching. Ebenso wenig reichte es bei ihm für den moralischen Ernst von Wolf Biermann oder die anarchistische Komik eines Rainald Grebe. Dennoch laufen all diese Fäden bei Widmann zusammen, er ist das Durchschnitts- aber Multitalent der Szene, das sich seinen Status über die Jahre nicht durch Höchstleistungen in einem klar definierten Teil der Liedermacherei, sondern vor allem durch Konstanz in vielen davon erarbeitet hat. Weshalb man "Ahoi", Widmanns viertes Solo-Studioalbum, interessiert zur Kenntnis nehmen sollte, ohne allzu viel zu erwarten.

Von seiner Frühphase, die ihn mit seinem 2000 an einem Herzinfarkt verstorbenen Partner Martin "Kleinti" Simon als Joint Venture populär machte und ihm insbesondere Dank zahlreicher gefeierter Drogenlieder ein Image als linker Althippie eintrug, entfernt sich Widmann auch hier weiter: THC-Schwaden wehen nur noch ganz selten durch seine Lieder, weil er sich da "die Latte in der Vergangenheit ziemlich hoch gelegt" habe. Die kleinen, sympathischen Alltagsgeschichten, die nicht immer die Balance zwischen lebensnah und banal halten können, schreibt er zwar immer noch. Aber häufiger schleichen sich - von manchen alten Fans beklagt - auch ernstere Töne in seine Lieder. Zum Posterboy der Kiffer und Rumhänger taugt der 45-jährige Widmann in jedem Fall schlechter als der 25-jährige.

"Ahoi", das mit einem charmanten Nevermind-Gedächtnis-Cover aufwartet, konzentriert sich vor allem auf vier Themen, die in wechselnden Kombinationen auftauchen: Mal gehen mit dem frisch verheirateten Widmann die Glücksgefühle durch und er verklärt Frauen zu überlegenen Zauberwesen wie in "Meine Frau ist besser als ich", "Kickerpartnerin" oder dem irgendwie Pointen-freien "Ich fahr heim zu meinem Baby". An anderer Stelle versucht er schlichte, aber launige Erzählungen über die Beziehung zur Technik, die im Vokal-beschädigten "Bier in der Tsttur" besser und im etwas faden "Du hast dein iphone verloren" schlechter funktionieren. Seine besten Momente hat "Ahoi" aber zweifellos, wenn Widmann in utopistischen Gedankenspielen wie "Proletarier sucht Frau" oder "Idealist" den reflektierten Linken gibt.

Eine zwiespältige Angelegenheit sind dagegen die beiden düsteren Songs, die die vierte Säule des Albums stellen. Während "Die postnatale Depression des Mannes" als depressiver Männer-Alptraum durchaus beklatscht werden darf, ist ihm selten ein Lied so verunglückt wie "Ich kann kein Lied über vergewaltigte Frauen schreiben": Statt den Songtitel zu beherzigen, grollt Widmann düster über Moll-Akkorde, wie angeekelt er vom Thema sei und ist damit jeder guten Absicht zum Trotz leider vom Rammstein'schen Perversions-Rausch gar nicht weit weg. "Ahoi" ist damit ein typisches Alterswerk: Nett, aber nicht zwingend. Seine Funktion als Pate für die neuere Generation erfüllt Widmann ohnehin auch so. Wer je die Menschenmassen bei seinen jährlichen Weihnachtskonzerten im Hamburger Logo oder den Auftritten auf der Grünen Bühne der Bonner Rheinkultur gesehen hat, weiß das. Eventuell hat Widmann mit den Jahren auch einfach sein eigenes Credo stärker inhaliert, Verzeihung, verinnerlicht: Haschisch rauchen macht harmlos.

(Dennis Drögemüller)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Proletarier sucht Frau
  • Die postnatale Depression des Mannes

Tracklist

  1. Bier in der Tsttur
  2. Meine Frau ist besser als ich
  3. Proletarier sucht Frau
  4. Im Hippiebus nach Marrakesch
  5. Du hast dein iphone verloren
  6. Kickerpartnerin
  7. Che Guevara
  8. Ich fahr heim zu meinem Baby
  9. Die postnatale Depression des Mannes
  10. Idealist
  11. Ich kann kein Lied über vergewaltigte Frauen schreiben
  12. Liegen bleiben
Gesamtspielzeit: 47:32 min

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  • Götz Widmann (15 Beiträge / Letzter am 15.02.2014 - 12:24 Uhr)