
Sandro Perri - Impossible spaces
Constellation / CargoVÖ: 21.10.2011
Der große Tümmler
Das Knöpfchen rechts für den Grundstaubsauger, das in der Mitte für die Filter, links die Midi-Modulationen: Sandro Perris Musik war einst an einer Hand abzählbar. Heutzutage reicht ein ganzes Manikürestudio nicht mehr aus. 2006 verabschiedete sich Perri nicht nur von seinem Alias Polmo Polpo, sondern auch vom Ambient-Drone und überhaupt der rein elektronischen Ausrichtung seiner Musik und nahm sich zunächst einiger alter Stücke mit akustischem Instrumentarium an. Eine EP und ein Solodebüt später schlenkert "Impossible spaces" nun nicht nur beschwingt zwischen Großstadt-Melancholie und Karibik-Fernweh - vielmehr pumpt Perri seine Musik hier zu jazzinspirierten Popikonen auf. Und das mit Mitteln und Sounds, die ebenso spannend und kitzelig sind wie sie sich tadellos benehmen.
So spielt Perri seine Synthesizer teils wie Gitarrenläufe, teils als atmosphärische Orgeltupfer. Dann wieder strömt eine Jan-Hammer-Keyboardfläche durch den Song, wird aber sofort wieder von Flötenläufen in die Knie gepiekst. Oft scheinen die Instrumente dabei für Sekunden sämtliche Anspannung zu verlieren. Das Schlagzeug verlässt den Beat und klickert über die Rims, Bass und Gitarren klingen kurz aus, Verwunderung macht sich breit. Schließlich wird so aber lediglich Platz geschaffen für den nächsten großen Auftakt - quasi ein Freisperren des Raumes, indem peepholegroße Lücken in die Arrangements gerissen werden. Dabei bleiben diese allerdings auf ganz rätselhafte Weise stets vollends in und im Takt - und verabschiedet sich jeder Song mit einem Schlusssatz voll trippiger, ultraharmonischer und melancholischer Güte. "Impossible spaces", fürwahr.
Im Ergebnis herrscht eine unfassbare Lebhaftigkeit sowohl in Perris Musik als auch in seiner ebenso leicht exaltierten wie einschmeichelnden Stimme. Ganz wunderbare Melodien und Betonungen schälen sich aus "Changes", "Wolfman" und "How will I?", geben Struktur und Eindringlichkeit - und davon eben mehr als genug, dass auch all der Trubel, der wie Nordlichtflackern drüber, drunter und durch die Kompositionen weht, zu einem einzigen Wohlfühlmarathon gerinnt. Als da wären: leicht bratzige, knisternde oder quietschende Synthi-Flächen, eine für Sekunden durch den Background geworfene Elektro-Bassdrum, vorsichtig vorantapsende Afrobeats, ein Tortoise-Gegentakt, bundlose, kreisförmige Bassfiguren. Und eben immer wieder diese Flötenläufe, die die Songs flüchtig beschleunigen und deshalb klingen, als würde Jethro Tulls Ian Anderson einen Wimpernschlag lang am Mikrofon vorbeihüpfen.
Sie treffen auf ein Gitarrenspiel, das Perri zwischen Folk, der Andeutung von 70ies-Rock-Riffs und perlenden Indie-Läufen ebenfalls immer wieder in Schattierungen, Betonungen und Akzente entspannt, jedoch nie aus den Harmonien verabschiedet. So gelingt es Perri und seinen Mitmusikern vortrefflich, eine Menge Unruhe zu stiften und Ablenkungen en masse zu schaffen. Daraus aber formen sie Arrangements, die den Hörer auf Wolke Sieben durch diese "Impossible spaces" tragen. Als wäre James Joyces "Ulysses" ein Gemälde von Claude Monet, gespielt von tausend Händen. Solch ein wunderschönes, grundentspanntes Getümmel.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Changes
- How will I?
- Wolfman
Tracklist
- Changes
- Love & light
- How will I?
- Futureactive child (I)
- Futureactive child (II)
- Wolfman
- Impossible spaces
Im Forum kommentieren
saihttam
2013-07-19 01:23:53
klasse Ding! habs aber irgendwie viel zu selten gehört bisher. Das sollte ich dringend ändern.
Cosmig Egg
2013-07-18 18:40:24
Der mann ist ein genie
In der gleichen liga mit sufjan stevens.
Wolfman wäre der beste song der experimentellen age of adz gewesen
Cosmig Egg
2013-07-18 18:11:46
mein sommeralbum 2013, wenns auch schon etwas älter ist. Habs gerade letzte Woche entdeckt, und nur noch am laufen.
naja
2011-11-05 23:12:43
na immerhin. war auch platte der woche bei alternativenation.
Dielemma
2011-11-05 11:18:39
gefällt, immer schön neue Sachen zu entdecken
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