Meshell Ndegeocello - Weather
Naive / IndigoVÖ: 11.11.2011
Wollen sollen
Eine neue Platte von Meshell Ndegeocello könnte ein Ereignis sein – ja, wenn da nicht längst nur noch die Altherrenmagazine unter den Musikzeitschriften jubelieren würden. Die amerikanische Sängerin hatte weder einen großen Hit auf dem Soundtrack eines dieser angesagten Indie-Filme, die auf dem Sundance-Festival mit Awards zugeschüttet werden, noch hat sie sich mit Musikern zusammengetan, deren Geburtsdaten nach 1980 liegen. Und somit muss sie damit leben, dass ihr neuntes Werk "Weather" am Rausch der Jugendlichkeit und dem Zeitgeist komplett vorbei läuft. Aber Miss Ndegeocello legte auf diese Dinge sowieso noch nie großen Wert. Ihre Mischung aus Soul, Funk und Rock, die sie bei jedem Werk neu abmisst, schaffte es zwar zum Starbucks iTunes Pick Of The Week, aber das war es dann auch mit dem Ausflug in die Popkultur der 00er Jahre.
Die Bodenständigkeit von Ndegeocello würde sowieso unverstanden bleiben. Denn "Weather" hat die gebürtige Berlinerin mit leisten Tönen geerdet. Dorthin, wo auf "Devil's halo" noch Reste von Pop von den Tönen abblätterten, hat sie nun Streicher, Klavier und Gitarren gelegt, die sich in der Atmosphäre von "Weather" verlieren. Jazz eben, wie er im Fahrstuhl läuft - wenn es abwärts geht. "Chance" verhandelt die Sache mit dem Pop noch am offensivsten: Der Refrain stemmt sich gegen die Melodie, die sich ein Stück weit an die Achtziger Jahre hängt. Der Synthie steht dabei aber genauso verloren im Raum wie die Gitarre von "A bitter mule". Ndegeocello sorgt so stets für einen sehr organischen Sound und flutet jeden einzelnen Songs mit der nötigen Melancholie, die auf "Weather" aber nie ins Bodenlose versinkt. Wünsche und Hoffnungen besingt Ndegeocello eben immer noch. Und dass "Dead end" einen der stampfensten Rhythmen der Platte bekommen hat, macht das vielleicht schon etwas zu offensichtlich.
Dieser Umschwung wäre in einem elektronischen Sound zwischen TripHop und Dubstep nicht so ins Gewicht gefallen, und auch die Stimme würde man heutzutage viel eher in diesem Kontext erwarten. Doch Meshell Ndegeocello bleibt mit "Weather" auf ihrem eigenen Film, der sich darum wenig bis gar nicht kümmert. Elektronischem bleibt nur die Rolle als einzelnes Arrangement, das versetzt in manchen Songs zum Spannungsbogen hinzugefügt wird. Ansonsten hat Ndegeocello die Songs flüchtig arrangiert, viele Momente verfliegen genauso schnell, wie sie entstanden sind. Die Schönheit von "Weather" liegt in der lockeren Art, wie Noten geordnet und langsam aufsteigen, um am Ende doch wieder auf den Boden zu sinken. Wie gesagt: Diese Platte könnte ein Ereignis sein. Dafür müsste sie es aber auch erst einmal wollen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Chance
- Don't take my kindness for weakness
Tracklist
- Weather
- Objects in mirror are closer than they appear
- Feeling for the wall
- Chance
- Oysters
- Rapid fire
- Chelsea hotel
- Dirty world
- A bitter mule
- Crazy and wild
- Petite mort
- Dead end
- Don't take my kindness for weakness
Referenzen
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