Los Campesinos! - Hello sadness

Turnstile / PIAS / Rough Trade
VÖ: 11.11.2011
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Neues aus Jammertal

Entweder laufen Los Campesinos! tatsächlich schon seit Ewigkeiten in jeder Indie-Disco - oder das kommt einem, aufgrund der verheerenden Mischung aus zu wenig Wochenende und zu viel Hangover, nur so vor. Wie dem auch sei, jedenfalls ist die Zeit schnell vergangen - sind wir nicht alle erst gestern noch zum Debüt "Hold on now, youngster ..." wie die Flummis herumgehüpft und haben uns über Songtitel wie "This is how you spell "Ha ha ha, we destroyed the hopes and dreams of a generation of faux-romantics"" amüsiert? Und dabei auch noch eine ähnlich gute Figur gemacht wie die Band? "We are beautiful, we are doomed" hieß der Nachfolger - etwa eine selbsterfüllende Prophezeiung? Immer noch hübsch anzuschauen, aber zur Gefangenschaft in einer Endlosschleife quietschigen Pop-Krawalls verdammt? Mit "Hello sadness" liegen die Waliser nunmehr bei vier Platten in vier Jahren - und laufen allmählich Gefahr, älter auszusehen, als ihnen lieb sein kann.

Auch wenn ihr aufgekratztes Remmidemmi den ins Deprimierende lappenden Titel zunächst einmal Lügen straft: Ein Händedruck im Jammertal und diese zehn aufgeregt menschelnden, hyperaktiv durchjohlten und fidel in den Ohren klingelnden Songs gehen auf den ersten Blick einfach nicht zusammen. In Wirklichkeit aber führen Los Campesinos! oft genug scheinbare Glückseligkeit und vordergründiges Gutgehn hinterrücks auf ein Glatteis, auf dem langweilige Liebesgeschichten, herbe Enttäuschungen und am Ende sogar der Mann wartet, der einen nach getaner Arbeit mit den Füßen voran in einen Schrank schiebt. Doch Humor etwas dunklerer Färbung hat Los Campesinos! noch nie geschadet. Das Problem von "Hello sadness" liegt woanders.

Denn obwohl die sieben Waliser weiterhin hoch hinaus wollen, sind sie als alte Verfechter einer durch ätzende Gemeinheiten und böse Vorahnungen gesprengten Party mittlerweile nicht nur immer berechenbarer geworden - ihnen fallen auch immer weniger wirklich gute Songs ein. Oft muss es reichen, dass der gern mehrstimmige Gesang von den lauthals herausposaunten Zeilen über Freundinnen anderer Leute, peinliche Fehlschläge und panischen Schüttelfrost Maulsperre bekommt, während Keyboards, Fiedeln und perkussive Glöckchen ihr Bestes tun, um die zickig schabenden Riffs zu übertönen. Dann fährt das Schlagzeug mit voller Wucht dazwischen und peitscht die Band in den Kellerclub. Aber zugegeben: An den richtigen Abenden gehört sie dort nach wie vor irgendwie hin.

Der Rest ist schnell erzählt: Los Campesinos! werfen viele routinierte Hopser in die Menge, von denen auch der eine oder andere hängenbleibt. Vor allem das Titelstück, das sich ohrwurmig zu einem Frontalaufprall aller Instrumente hangelt, bis nur noch einsame Gitarre und ein wenig hoffnungsfroher Ausblick übrigbleiben: "It's only hope that springs eternal / And that's the reason why / This dripping from my broken heart / Is never running dry." Schnüff. Genauso unversöhnlich gibt sich "Life is a long time": Die Geburt ist eine Zumutung, der Tod ein Skandal und das dazwischen auch nicht viel besser. Knirsch. Zum Tanz bittet der Song trotzdem - genauso wie "The black bird, the dark slope" mit perfide reingewurschteltem "You! Me! Dancing!"-Gedächtnisriff. Seufz. Vielleicht demnächst doch mal in einen anderen Laden? Manchmal ist das hier echt deprimierend.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Hello sadness
  • Life is a long time
  • The black bird, the dark slope

Tracklist

  1. By your hand
  2. Songs about your girlfriend
  3. Hello sadness
  4. Life is a long time
  5. Every defeat a divorce (Three lions)
  6. Hate for the island
  7. The black bird, the dark slope
  8. To tundra
  9. Baby I got the death rattle
  10. Light leaves, dark sees Pt. II
Gesamtspielzeit: 40:03 min

Im Forum kommentieren

Klotho

2011-12-14 11:17:10

5/10 definitiv nicht. 8.0 aber auch nicht. Pendelt bei mir wohl so bei 7 ein. Die Texte wollen mich diesmal einfach nicht so kriegen, Gareth Body-Parts-Fetisch ist auf Dauer ein bisschen ermüdend. Und lyrisch wird es halt wirklich dem Titel gerecht. Da fehlt mit ein bisschen der Witz, der für mich persönlich bei LC! einfach dazugehört, egal wie ernst das Thema auch sein mag.
Rein musikalisch finde ich die zweite Hälfte deutlich spannender ... aber als Beispiel nehme ich mal "To Tundra", dass eigentlich ähnlich mitreißend wie ein "The Sea is a good place..." wirken könnte, aber die Lyrics dringen nicht wirklich zu mir durch, weshalb es mich einfach nicht komplett umbläst.

Arcon

2011-12-14 01:00:02

Mir gefällt die CD - trotz der teilweise mauen Kritiken - wieder überraschend gut. Bestimmt kein Meisterwerk, aber macht Spaß.
Eine 5/10 ist ein schlechter Witz und nun wirklich nicht nachvollziehbar. Schwache Kritik.
Pitchfork 8.0 triffts da schon eher.

Halcyon

2011-12-07 18:03:28

Nein, ein "Kracher" in dem Sinne ist das Album nicht. Mehr so ein unterschwelliger Kracher. Die Stimmung schleicht mehr so. Sie haben zwar noch die schnellen Nummern, aber die werden irgendwie von mal zu mal weniger. Trotzdem, oder grade deswegen hat das Album aber eine schöne Stimmung insgesamt. Besonders die Gesangsmelodien gefallen mir sehr gut. Und mit "Hate for the Island" ist ihnen mal wieder ein ziemlicher Monstersong ala "Heart Swells/Pacific Daylight Time" gelungen.

Alles in allem finde ich es schon wieder sehr gelungen, auch wenn ich mich noch nicht großartig mit den Texten befassen konnte. Die scheinen ja, wenn man mal auf die Songtitel guckt, noch düsterer geworden zu sein. Einzig "Light Leaves, Dark Sees Pt. 2" will mir nicht so recht gefallen. Da wäre mir ein "Coda" oder ein "All Your Kayfabe Friends">/i> als Closer leiber gewesen.

Eliminator Jr.

2011-11-20 13:44:00

Die erste Platte von LC die mich restlos überzeugt. Wo die Vorgänger stellenweise etwas zerfahren wirkten, sitzt bei Hello Sadness im Grunde Alles. Locker 8/10, mit Tendenz nach oben.

it's only hope that springs eternal and that's the reason why this dripping from my broken heart is never running dry.

Halcyon

2011-11-04 19:56:14

Die Rezension disqualifiziert sich ja schon mit den Worten "die sechs Waliser". Ich bleibe gespannt. Die Richtung in die es geht, gefällt mir sehr!

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