I Break Horses - Hearts

Bella Union / Cooperative / Universal
VÖ: 28.10.2011
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Mit offenen Augen schlafen

Nach Blonde Redhead, Beach House, Film School und Pure X haben sich zwei Schweden auf den Weg gemacht, die verschlungenen Pfade des Shoegaze und Dreampop zu beschreiten. Jene, die einst durch Slowdive, My Bloody Valentine und Ride mit viel Hall und schmerzlichen Gitarrenflächen zu Wegen zwischen Trost und Leid geebnet wurden. Maria Lindén und Fredrik Balck sind I Break Horses - und haben es mit ihrem Debüt auf die Herzen des Hörers abgesehen.Gleich das erste Stück "Winter beats" offenbart mit scheibchenhaftem Auf- und Abbau des Arrangements eine Struktur, die sich fortwährend durch dieses Album ziehen wird. Im Opener passiert dies mit gleich drei Melodien - alle einfach, alle eingängig - die nacheinander übereinander gelegt werden und eine pulsierende Fläche bilden. Auf jenen Teppich stellen sich dann zeitgleich Rhythmus-Sektion und Lindén, die wie eine meterhohe Statue und doch meilenweit entfernt analysiert: "Winter beats it strikes for you and me".

Plötzlich ebbt alles ab, und es scheinen nur noch ein paar elektrische Impulse durch den Verstärker zu fließen, die "Winter beats" langsam ausfaden lassen. Doch weit gefehlt: Es geht wieder los und bricht sich in einer sich überschlagenden Welle, die bis ins nächste Stück schwappt. "Hearts" klingt zunächst sanfter, beginnt mit einem schnellen Herzschlag, scheinbar differenziert und verschwimmt dann doch zu einer Fläche, zu gehallter Wiederholung, bäumt sich auf und bricht ab. Den Bogen von einem Song zum anderen schlägt stets der Wegfall des prominenten bassigen Elements - besonders deutlich wird dies bei "I kill love, baby!". Haben sich Lindén und Balck zuvor noch bei "Wired" in ihrem selbstgesponnenen Netz verfangen und taumelten gemächlich von einer blau beleuchteten Minibühne in Schottland 1992 zum Mulholland Drive, sitzen sie hier schließlich im Bauch des Ungetüms. Und lauschen dort den tiefen Herzfrequenzen links über den Köpfen.

I Break Horses scheinen sich hier ganz wohl zu fühlen: Es ist dunkel und warm, und wenn das Wesen seinen Schlund öffnet, können sie sogar ein wenig Licht sehen. Die Gitarren hallen, Lindéns Stimme tastet die Magenschleimhaut ab und klingt dabei manchmal wie eine betäubte Victoria Legrand. "Pulse" könnten Cults aufgenommen haben, wenn sie sich sehr traurig in einer Höhle verlaufen hätten - bei I Break Horses aber kommt eine gewisse Euphorie auf. Begeistert vom Ort der natürlichen Klangduplikation verfallen alle in ein Endlos-Ahhh, das Schlagzeug lässt sich zu einzelnen Wirbeln hinreißen, aus Gitarren perlen Mondsteine, der Bass setzt ein - die eindringlichste Umsetzung des Schichtenmodells. Möchte man sich diese Musik wie einen Bau vorstellen, dann türmen sich die Stufen wie bei einer Pyramide auf. An seinem Höhepunkt steht das Ding dann glänzend da, auch wenn es streckenweise ein wenig zu groß wirkt und vielleicht zwei Etagen zu viel hat.

Auf- und Abbau werden durch die Dynamik der Bassgitarre besorgt, zum Ende aber wird das errichtete Monument nicht nach und nach abgetragen, sondern häppchenweise an verschiedenen Stellen seiner Bauteile beraubt - aus der Pyramide wird ein Jenga-Turm. Flächen werden erkennbar, man kann sich dem Sog nur schwer entziehen - aber will das auch gar nicht. "Cancer" eröffnet dann einen modrigen Tanzsaal mit Alkoven und Motten in Reifröcken. Am Ende des Ganges steht ein Schlagzeug, in der Mitte des Raumes steht Lindén - nah und intensiv. Seinen Höhepunkt erreicht "Hearts" mit "Load your eyes", dessen erste Takte bereits gefangennehmen und nicht mehr loslassen wollen, bestenfalls niemals mehr sollen. Der Bass rollt, eine Dimension folgt der nächsten, es geht tiefer und tiefer. "Empty bottles" hat dem dann nicht mehr viel hinzuzusetzen, kein Schlüsselstück vor dem "No way outro" - ein eigentlich zart arrangierter Song mit heftigem Herzrasen und Trommelwirbeln. Dramaturgisch ein Blinzeln: Langsam schwindet das gesamte Instrumentarium, wie eine Kamera, die den Zoom stetig wieder auf Normalgröße bringt. Ein paar Sekunden, dann Stille.

(Carolin Weidner)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Winter beats
  • Pulse
  • Cancer
  • Load your eyes

Tracklist

  1. Winter beats
  2. Hearts
  3. Wired
  4. I kill love, baby!
  5. Pulse
  6. Cancer
  7. Load your eyes
  8. Empty bottles
  9. No way outro
Gesamtspielzeit: 40:00 min

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