
Apparat - The devil's walk
Mute / GoodToGoVÖ: 23.09.2011
Projekt: Song
Sascha Ring hatte eine Idee. Eine, die man durchaus als mutige bezeichnen könnte: Aus einem Sound für die Tanzfläche ward atmosphärischer Sci-Fi-Soul mit Dream-Pop-Sigur-Rós-Anleihen. Wo bereits auf dem vielgelobten 2007er-Album "Walls" die eine oder andere Slowdive-Referenz fiel, hat Ring jene Tendenz, gelinde gesagt, ausgebaut. Denn Apparat hat jetzt eine Band, die Apparat-Band, schreibt plötzlich Lieder und singt wie eine Fan-Version von Thom Yorke. Weil er aber ein eher nachdenklicher Typ ist, der "The devil's walk" als Verbeugung vor Percy Bysshe Shellys gleichnamigen Gedicht aus dem Jahre 1812 begreift, ist dies alles natürlich mehr Konzept denn Zufall. Mit seinem vierten Album schlägt der Berliner eine gänzlich andere Richtung ein, die niemanden ernsthaft stört. Zu sagen, sie interessiere niemanden, wäre hingegen eine blanke Lüge. Denn das Echo, welches Apparat im Laufe seiner Karriere hervorgerufen hat - Peel-Sessions-Einladung! Kooperation mit Modeselektor! Wechsel zum renommierten Label Mute! - ist kein kleines. "The devil’s walk" aber hat ein anderes Problem, als dass es keine Aufmerksamkeit bekäme: Rings Gesang.
Beginnt "Sweet unrest" noch zurückhaltend, mit leicht exotischer Note, ist sein Auftrag doch eindeutig: Irgendwie gediegen, atmosphärisch und mit Ambition zur kleinen Hymne soll hier ein Raum eröffnet werden. Ein samtenes Kämmerlein, in welchem sich Apparat in den folgenden neun Tracks unter intimer Beobachtung von der Beat-Raupe zum sanften Aurorafalter zu wandeln versucht. "Sweet unrest" kommt noch ohne Gesang aus. Einzig ein paar übereinander gelegte Stimmen, die sanft und leicht durch das zart arrangierte Geklimper schweben. "Song of los" dann - der erste Beat, die ersten Strophen. Und gleich ein kurzer, aber merklicher Schock. So klingt er also, der Sascha Ring. Man muss unwillkürlich an Superpitchers LP "Kilimanjaro" denken, welche einzig durch die Stimme des DJs Aksel Schaufler auf- und ausfiel, die man so eigentlich gar nicht hören wollte. Während Schaufler jedoch so etwas wie Selbstironie gelingt, scheint es Apparat auf "The devil’s walk" ziemlich ernst zu meinen. Die zu einem Gros gereimten Lyrics werden mit viel Emotion vorgetragen, melancholisch und gefühlig. "Black water" ist ein gutes Beispiel, wie man zwar ein gewisses Epos erzeugen, dabei aber auch schnell ins Duselige abdriften kann. Das klingt in seinen schlechten Momenten dann leider nach sentimentalen Power-Balladen aus dem Radio - und am Ende Nieselregen.
Schöner ist da "Goodbye", aufgenommen mit Soap & Skin, deren Stimmfarbe besser zum Anspruch von "The devil’s walk" passt. Oder "The soft voices die", das in seinen ersten Sekunden wie eine Spieluhr klingt, aus der plötzlich Streicher springen – aber auch hier: Sobald das Geträller in Form von "Switching off the film today / Euphoria was washed away" einsetzt, wird die aparte Melodie durch eine verbalisierte Gemütsbewegung gekillt. Dies erklärt eine gewisse Tragik, die dem Album innewohnt: Die Liebe zur Popmusik, mitsamt Lyrics und Melodramatik, ist nur streckenweise vereinbar mit Rings Fähigkeit zum Arrangement, wie er sie auf seinen bisherigen Veröffentlichungen bewiesen hat. Ein Stück jedoch, auf dem beide Aspekte vereint sind, ist das fiebrige und atemlose "Ash/black veil", auf dem Apparat seine Stimme durch einen Thom-Yorke-Vocoder gefiltert zu haben scheint und man das erste Mal denkt: "Ja, verstanden." Kein rationales Verstehen, sondern ein sinnliches. Dass Ring dazu in Lage ist, zeigen abstraktere Tracks wie "A bang in the void", die ohne gesanglichen Zuckerkuss auskommen und intensiver klingen als das, was intensiv klingen soll.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Ash/black veil
- A bang in the void
Tracklist
- Sweet unrest
- Song of los
- Black water
- Goodbye
- Candil de la calle
- The soft voices die
- Escape
- Ash/black veil
- A bang in the void
- Your house is my world
Im Forum kommentieren
Voyage 34
2019-01-20 10:36:50
Zustimmung!
henson
2019-01-20 10:02:36
goodbye ist ja die titelmusik von "dark" und absolut großartig.
musie
2013-08-22 13:07:10
hoppla, das bekam bloss 6/10?? für mich auch 8/10, man muss sich drauf einlassen und darf kein problem mit dem gesang haben, schon klar. aber alle lieder mit gesang gibts auch instrumental, vielleicht wär das was für die autorin der rezi..
Berndimaus
2013-08-22 12:21:05
Ich trau mich nicht viel schlechtes über das Album zu sagen. Auch wenns im Gesamtdurchlauf sehr eintönig und "eindimensional" wirken mag, merkt man an allen Ecken und Enden wieviel Zeit und Liebe in dem Album steckt. Die Songs stecken voller kleiner liebevolle Details und sphärischen Ausschmückungen. 6 / 10 finde ich wirklich zu wenig. Dafür gibt das Album zu viel her. Ich würde sogar zu einer 8 / 10 tendieren, wenn man sich voll drauf einlässt.
musie
2012-11-08 11:56:08
konzert des jahres vorgestern. schade geht die tour nicht noch über den nächsten frühling hinaus..
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