Julia Marcell - June

Haldern Pop / Cargo
VÖ: 30.09.2011
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Drumsherum

Sie hat nahezu alles auf links gedreht, auch wenn die Notwendigkeit auf den ersten Blick dafür gar nicht gegeben war. Hätte Julia Marcell ihren erzählerischen, Singer-Songwriter-durchzogenen Piano-Pop des immer noch zu wenig beachteten Erstlings "It might like you" verfeinert, hätte es statt Verwunderung beweihräucherndes Lob gegeben. Die gebürtige Polin, die ihr Debüt via Sellaband finanzierte, entdeckte auf ihrer Tournee im Zusammenspiel mit einem Live-Drummer jedoch eine neue Vorgehensweise beim Komponieren. Die Konsequenz heißt "June".

Das Piano rückt in den Hintergrund, vorne steht nun perkussive Vielfalt und Kraft. Daran lässt der namensgebende Albumtrack schon keine Zweifel aufkommen, und auch die folgenden Songs sind in ihrer Mehrzahl zunächst auf Sondierung und Sortierung melodiegebender Rhythmik zurückzuführen. Neben den organischen Klängen reichert Marcell die poppigen Songs mit programmierten Beats an, harmonisch und kohärent, nur in "Shhh" wird daraus ein wirbelndes Electro-Stück. Erst wenn der Unterbau steht, inszeniert sie sich auch selbst. Marcell richtet sich in den Songs als Backgroundsängerin ein zweites Dasein ein. Das klingt dann fast kanonisch, ist mal erklärend, mal aufrüttelnd und gerade in den ersten Tracks ein gerne gewähltes Stilmittel. Die Neu-Wahl-Berlinerin hat wieder einmal alles sehr fein arrangiert, nur eben nicht mehr mit dem Piano als prägendem Element. Ganz verschwunden ist es jedoch nicht.

Neben Fass-Getrommel und der gedrillten Snare hat Marcell in "Crows" Platz für stoische Klaviertöne, und auch das großartige "Echo" erhält eine Einleitung am Piano. In dem Song erklingen polnische Textzeilen, und im Zuge der stimmlichen Dopplung im Anschluss an das Geigen-Intermezzo muss man genau hinhören, um den ehrlich anrührenden Text herauszuhören: "I was raised by songs / Cause my father he would rather have a son." Arrangement und Emotion fahren gemeinsam Achterbahn. Aber: Ohren auf! Hier lauert noch mehr, die hypnotisierende Kraft des 2-steppigen-Beats in "I wanna get on fire", das effektdurchtriebene, und mit Stop&Go-Rhythmik arbeitende "CTRL" oder die leichtfüßige Querflöte in "Matrioszka", die durch den satten Basslauf einen amtlichen Groove unter dem Hintern erhält und deren Outro gar The Smiths glücklich machen würde. "Don't know what I want, but I want it now", singt Marcell in "Gamelan" das Gegenteil der Zeile aus "Mr. Vain". Wo ein Wille ist, ist Marcell.

(Stephan Müller)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Matrioszka
  • Echo
  • Crows
  • Aye Aye

Tracklist

  1. June
  2. Matrioszka
  3. Since
  4. CTRL
  5. Gamelan
  6. Shores
  7. Echo
  8. I wanna get on fire
  9. Crows
  10. Shhh
  11. Aye aye
Gesamtspielzeit: 43:54 min

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