Omega Massif - Karpatia

Denovali / Cargo
VÖ: 16.09.2011
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Die Klippenzwinger

Dass es Berge den vier Würzburger Atmo-Doom-Postrockern von Omega Massif angetan haben, zeigt sich gewiss bereits am Bandnamen. Darüber hinaus bilden sie aber einen thematischen Leitfaden durch ihre Veröffentlichungen. Vertonte das letzte Album "Geisterstadt" eher das Innehalten in einer toten, felsigen Stätte mitten im Gebirge, so geht es mit "Karpatia" jetzt wieder ein Stück weit unter die Waldgrenze. Dorthin also, wo sich allerlei Getier versteckt und aus dem Unterholz knurrt, wo Jäger und Beute durch derart dichten Nebel rennen, dass sie glauben, in einem Grau-in-Grau-Film gelandet zu sein, und wo sich Nicolae Ceausescu einst den Urlaub vom Menschenfoltern mit ein wenig Landraubtier-Abschlachten verzuckerte. Harter Tobak? Omega Massif halt.

Gleich "Aura" startet in einen schlingernden Midtempo-Lauf. Der Bass zappelt als ausgeleiertes Fangeisen in den Beinen, Schlagzeug und Gitarren gehen zunächst als Klumpfuß dazwischen, ziehen aber immer mehr ins böse Riff hinein. Irgendwann stockt der kalte Atem durch die Dämmerung, es geht nur noch humpelnd, bald kriechend voran. Schließlich verschieben sich leicht die Frequenzen, Gitarrendelays drücken sich gegen die wieder aufziehenden Riffwände, können aber auch nicht mehr ausrichten, als einfach nur da zu sein. Das ist in der Tat eine einzige vertonte Jagdszene - und dass diese glücklich für irgendjemanden ausgehen könnte, nun, das ist Omega Massifs Sache nicht.

"Wölfe" sucht sich einen neuen Jagdkumpan, bringt die Hatz jedoch bereits nach knappen vier Minuten zu einem gnädigen Ende - muss wohl eine Maus gewesen sein. Klang aber nicht so. Auch das folgende Doppel von "Ursus arctos" und "Im Karst" sorgt dafür, dass der Hörer den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht: komplett verirrt im Dickicht aus tiefen, donnernden Frequenzen, die dennoch vorbeiziehen wie ein nicht nur zerrender, sondern gleich komplett entkleidender Wind. Es gibt atmende, ruhende Momente, die jedoch eher Erschöpfung ausdrücken als melancholisches Innehalten. Und dann wieder symphonisches Gitarrenbrettern, zu dem nach einem Kreiseltanz wirklich jedes Gehölz mitgenommen wird, das auf Fuß-, Knie- oder Kopfhöhe den Fluchtweg verstellt.

Bereits auf den Vorgängern verbreitete der Omega-Massif-Doom vor allem eine Menge Stimmung zwischen Mad-Max-Wahn und Twin-Peaks-Mystery. Selten aber wurde es so groß wie zum abschließenden "Steinernes Meer", das sich zunächst bis in die depressiven Momente von Mogwais "Come on die young" vorwagt, dann aber aus dem Morast all der halbresonierenden und dräuenden Gitarren den ohnehin nicht eben sicheren Boden bis zum Erdkern aufreißt. So wird der Hörer erneut an der Klippe zur Apokalypse zurückgelassen: ein Zoom vom Gesicht des Protagonisten in den Weitwinkel des ganzen Tohuwabohus. Schade, denn die Rettung schien so nahe. Doch auch logisch, denn wenn Omega Massif keine Berge mehr zum Vertonen haben, dann schaffen sie sich halt welche. Bestimmt nicht das allercharmanteste Drehbuch, aber schon perfekte Regisseure.

(Tobias Hinrichs)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Aura
  • Im Karst
  • Steinernes Meer

Tracklist

  1. Aura
  2. Wölfe
  3. Ursus arctos
  4. Im Karst
  5. Karpatia
  6. Steinernes Meer
Gesamtspielzeit: 46:54 min

Im Forum kommentieren

The MACHINA of God

2023-10-27 21:15:16

Ach so. Phantom Winter. Stimmt. Wobei an die hier nix anderes rankommt.

Klaus

2023-10-27 20:05:37

Dann guck mal in die Releases von heute. Oder warte aufs nächste Update hier.

The MACHINA of God

2023-10-27 19:52:31

Wieso? Höre das Ding regelmäßig. Und lese zudem grad "Dracula".

Klaus

2023-10-27 19:16:13

Ziemlich witzig, dass du das gerade jetzt rausholst.

The MACHINA of God

2023-10-27 19:06:56

Was für ein Meisterwerk.

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