
Kim Wilde - Snapshots
SevenOne / Columbia / SonyVÖ: 26.08.2011
Unterbelichtet
Die Geschichte der Coverversionen ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Wer den Originalen zu ehrfürchtig begegnet, mag zwar den einen oder anderen Nostalgie-Punkt ergattern, macht sich selbst als Künstler jedoch eher überflüssig. Und wer aus vertrauten Vorlagen abstrakte Bilderstürme macht, überfordert die nach gemeinsamen Erinnerungen lechzende Zielgruppe. Wer sich jedoch einmal auf die dauerwellige Wucht eines Publikums von End-Dreißigern eingelassen hat, weiß schnell, in welche Richtung es gehen soll: auf die Couch von Olli Geißen.
Nun widmet sich also auch Kim Wilde nach den Fehlgriffen "Never say never" und "Come out and play" in Ermangelung eigener Songs für "Snapshots" den fremden Vorlagen. Was für sie ja nichts Neues ist, denn auch ihr größter Hit, "You keep me hangin' on" von den Supremes, war ein Rückgriff auf die Sechziger. "Snapshots" will nun einen großen Bogen beschreiben und greift jedes Jahrzehnt seit den Sixties ab. Gleich zu Beginn lassen jüngere Großtaten von East 17 und den Sugababes den Atem stocken. "It's alright" demonstriert noch mal, wozu Alternative Rock in den Neunzigern die Alternative war, und "About you now" war auch vorher schon 100% Polyester. Dabei meistert Wilde die undankbaren Aufgaben durchaus mit Augenzwinkern und dezenten Rockismen. Dass sie The Cures Akustikklampfen-Heuler "In between days" dann auch noch ein fiepsiges Plastikkleidchen umlegt, sorgt gar für angenehmen Trash-Appeal. Chapeau!
Wilde macht in der Theorie vieles richtig: Sie vermeidet allzu Offensichtliches und widmet sich sympathischen Hits der zweiten Reihe. Songs wie Tasmin Archers "Sleeping satellite" behandelt sie mit vornehmer, aber auch etwas langweiliger Zurückhaltung. Die hätte auch Diana Ross' "Remember me" gut gestanden, das unter anstrengendem Großraumdisco-Wumms zusammenbricht. Danach bildet das verwunschene Dionne-Warwick-Epos "Anyone who had a heart" vor allem ein dünn gewordenes Stimmchen ab, so dass nicht einmal minimale Radiohead-Bezüge erfreuen können. Am wohlsten fühlt sich Wilde merklich in ihrem eigenen Jahrzehnt, den Achtzigern. In "To France" hält ihr Näseln Analogbässe und zwirbelnde Elektronik auf wohliger Distanz, und Erasures "A little respect" gibt sie freundlicherweise das Gitarrenriff mit dem Quartvorhalt zurück, das Madonna-Kumpel Nick Kamen damals für "I promised myself" gemopst hatte.
Doch als mit Blacks wunderbarem "Wonderful life" ein potentieller Höhepunkt wartet, versaut sie die Hymne mit leblosem Beat und Glitzerkitsch. Auch an anderer Stelle verschütten quietschbunte Farben den melancholischen Grundton. Ausgerechnet Suedes "Beautiful ones" geht dann aber der übertriebene Hedonismus der Vorlage ab. Dass Wilde später noch Songs von den Cars, den Buzzcocks und David Bowie in die Waagschale wirft, rettet "Snapshots" auch nicht recht. Zwar bekommt der Power-Pop von "Just what I needed" durch die wenig subtile Elektronik neues Feuer, und auch dem großartigen "Ever fallen in love (with someone)" stehen die Sequencer recht gut. Als im abschließenden "Kooks" aber auch noch sehr klassischer "Hunky dory"-Britpop wippt, hat sich "Snapshots" längst als unsortierte, unentschlossene und unbefriedigende Sammelkiste erwiesen. Man merkt eher wegen der Songs auf, nicht wegen der Interpretation. Wieder einmal tut Wilde ihrer Karriere keinen Gefallen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- In between days
- To France
Tracklist
- It's alright
- In between days
- About you now
- Sleeping satellite
- To France
- A little respect
- Remember me
- Anyone who had a heart
- Wonderful life
- They don't know about us
- Beautiful ones
- Just what I needed
- Ever fallen in love (in love)
- Kooks (Duet with Hal Fowler)
Im Forum kommentieren
anatoll
2012-01-01 13:22:34
tolle frau, tolle stimme, tolle songs
tutu
2011-09-10 01:26:25
Clippings Poster KIM WILDE Snapshots Come out and play
EUR 1.00
LOL
2011-09-10 01:25:06
Vor welches Gericht denn - vors Suppengericht? Dann ruf am Besten gleich die Kräuterpolizei!
Zum Album: Hingerotzter Trashpop aus der untersten Schublade. Keine Ahnung, wie die viel zu gnädige 4/10 hier zustande kommt.
Jeremy Pascal
2011-09-09 23:47:15
Ach sei doch still, wer so einen grandiosen und charismatischen Bassisten.com gehört doch wohl nicht vor Gericht...
Achim
2011-09-09 18:29:32
OMG, gerade in der Werbung "In Between Days" gehört. Ganz bitter. Dazu vergeht sie sich u.a. noch an Suedes "Beautiful Ones". So etwas sollte man vor Gericht bringen.
Achim.
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