Wet Paint - Woe
Records Records Records / Broken SilenceVÖ: 24.06.2011
Ein weiser Blick
Huch, kein Indie-Folk-Album? Während sich viele Bands für den Moment Bärte wachsen lassen und das Glück im Naturalismus suchen, holt das Londoner Folk-Quartett Absentee die alten Sportjacken raus und überlässt den Lagerfeuer-Sound denen, die das leben können. Seit 2008 zieht die Band als Wet Paint um die Häuser und fackelt Hymnen auf Dinosaur Jr., die Lemonheads, auf Weezer und Buffalo Tom ab. Diese Rückkehr zur musikalischen Sozialisierung hört sich aus wirtschaftlichen Gründen nicht besonders clever an, ist aber gerade deswegen besonders charmant. Denn in der Hölle, da lauern schon die anderen.
Die ersten Sekunden von "Woe" sind entsprechend grandios: Die Gitarre klingt fies und überdreht, die Melodie simpel und eingängig. Das Schlagzeug klingt wie bei Dinosaur Jr. und der Bass wie bei Nirvana. So herrlich verdreckt hat seit den Neunzigern keine Band mehr losgepoltert. "Gone so long" heißt diese Eröffnung, von der man nicht genug bekommen kann. Die Songs rauschen vorbei, während die Melodien kleben bleiben. Manchmal mischt das Quartett ein bisschen Shoegaze unter die schrammelnden Gitarren-Akkorde, manchmal nimmt sie das Tempo raus. Ein Garagen-Album bleibt das dennoch bis zur letzten Sekunde.
Einzig "Aim low" und "Lynchstrumental" verweisen auf die alten Zeiten. Etwas zu sehr manieriert klingen diese kleinen, verstimmten Folk-Songs. Sie können sich nicht ohne Probleme in den Kontext dieser ansonsten so rasanten Platte einfügen. Die spektakuläre Feedback-Wand von "Dead night" löscht die Irritation aus: Unfassbar laut und unfassbar heftig schrammelt die Gitarre über diesen stoischen Beat und versenkt die harmlosen und uninteressanten Akkord-Zupfereien von "Aim low". Ein gandioses Stoßgebet und eine tiefe Verbeugung vor J Mascis.
Mit dem Intro von "Birds yawn" legen sich dann die letzten grauen Wolken. Dieser Song kann einen ganzen Sommer retten. Noch während der Hörer grübelt, wo die Band hier so ungeniert geklaut hat, schüttelt er schon sein Haupthaar und kramt die blaue Platte von Weezer raus. So viel Charisma, so viel Wucht, Verzweiflung und Humor hat "Woe" zwar längst nicht, doch immerhin so viel Charme, dass man diesen Vergleich getrost ziehen kann. Ein feines Gitarren-Album, mit wissendem Blick in die Zukunft: Der nächste Retro-Hype darf kommen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Gone so long
- Dead night
- Birds yawn
Tracklist
- Gone so long
- Uptight casuals
- Distant memory
- Aim low
- Dead nights
- Shadows secret life
- Little disappointments
- Birds yawn
- Lynchstrumental
Referenzen