The Horrors - Skying
XL / Beggars / IndigoVÖ: 08.07.2011
Über Styx und Stein
Sie würden ungern zwei Mal die gleiche Platte machen, hieß es in der Rezension zum Vorgänger "Primary colours". Doch gleich das nächste Album soll uns Lügen strafen. Auch wenn einzelne Songs etwas luftiger und poppiger daherkommen als zuvor, bleibt die Attitüde dieselbe, wiegt "Skying" immer noch schwer wie Blei, walzen die düster-psychedelischen Soundwände weiterhin alles nieder, was nicht rechtzeitig aus der Schneise springt, die das dritte Studioalbum von The Horrors hinterlässt. Der Fünfer aus dem englischen Southend on Sea hat Geoff Barrow, Craig Silvey und Chris Cunningham, dem hochdekorierten Produzententeam des Vorgängers, ganz genau auf die Finger geschaut, damit diesmal alles in Eigenregie über die Bühne gehen kann. Und auch "Skying" ist ein beeindruckend maliziöses Post-Punk-Werk geworden, das im Grunde 25 Jahre zu spät kommt.
Es sind drei finstere Popsongs, die zwischendurch für nötige Auflockerung sorgen. Klingt zwar seltsam, aber freundlicher als hier wird "Skying" nun einmal nicht. Bei "I can see through you" stemmt sich das Album mit groß angelegtem Spiel aus Drums und Gitarre zu hinreißender Melodie und wunderbarem Refrain erstmals gegen Gevatter Tod. Die Single "Still life" macht es mit markant marschierendem Bass und gefälligem Synthiesound sowie den Referenzen an David Bowie und The Cure sogar noch besser. Da können selbst die Meckerer und Zauderer ob dieses herkömmlichen, ja eventuell auf die Charts zielenden Songs nichts kaputtreden. Auch "Monica gems" reißt "Skying" kurzfristig aus der Agonie, indem es sich trotz aller psychedelischen Chöre einen Handclap-Refrain mit Sixties-Anleihen leistet, für den manch andere Band wahrscheinlich töten würde.
Über weite Strecken versinkt "Skying" jedoch in einem abgründigen Sumpf aus verschlingenden Krautrock-Anleihen, repetitiven Bass-Motiven, sich selbst zerschießenden, weit ausholenden Melodien und allgegenwärtiger Maßlosigkeit. Wer noch nie die Chance hatte, einen Blick in die Hölle zu werfen, kann dies nun mit den über achtminütigen Brocken "Moving further away" und "Oceans burning" nachholen. Ersteres macht aufgrund seiner hellen Synthiemelodie einen vergleichsweise heiteren Eindruck, setzt aber hinterrücks heimlich die Teufelsmaske auf und grinst dem Hörer höflich ins Gesicht. Der Abschlusstrack schleppt sich hingegen zermürbend lange mit nervenzerfetzend geisterhafter Wall Of Sound und Feedback-Gesäge daher, legt gegen Ende etwas an Tempo zu und bettet sich final mit großem Geheul zur Ruhe.
Zwischen passgenauem Düster-Pop und überbordender Wave-Prasserei schleicht sich mit "Endless blue" auch noch ein hervorragend rotziger Rocksong ein, der zwar auch nicht heller sein will oder kann als der Rest, der dieses Album aber erst so richtig rund macht. "Skying" ist nicht die große Abkehr, nicht die große Emanzipation vom Vorgänger, wie es seinerzeit "Primary colours" war. The Horrors führen stattdessen weiter, was sie auf ihrem Zweitling schon durchweg imposant hinbekamen, lenken aber auch einige wenige Songs sanft in neue Gewässer. Direkt über den Styx in Richtung Hades. Und legen mit "Skying" ganz nebenbei wahrscheinlich das diabolischste Post-Punk-Psychedelia-Album des Jahres vor. Es ist zum Schaudern.
Highlights & Tracklist
Highlights
- I can see through you
- Still life
- Monica gems
Tracklist
- Changing the rain
- You said
- I can see through you
- Endless blue
- Dive in
- Still life
- Wild eyed
- Moving further away
- Monica gems
- Oceans burning
Im Forum kommentieren
Lordran
2024-10-04 21:33:20
Einfach wahnsinnig starkes Album. „Still Life“ wahrscheinlich mein liebster Song der 00/10er Jahre.
Fantastische Band.
The MACHINA of God
2017-02-26 23:14:54
"Dive in"! An sich ein sehr schönes Album. Der Vorgänger hat mich inzwischen auch.
Demon Cleaner
2014-11-22 19:08:36
Was?? Och Mensch...wollte sie auch in Hamburg sehen.
qwertz
2014-11-22 18:16:59
Gerade erst mitbekommen, dass die Europa-Tour abgesagt wurde. Schade! Hatte mich schon sehr auf das Hamburg-Konzert nächste Woche gefreut.
The MACHINA of God
2014-11-22 16:17:53
Hat mich gestern auf einem nächtlichen Spaziergang endlich richtig bekommen. Schönes Album. Simple Minds und Suede fallen mir immer ein. Erster in gut natürlich. Die neue War on drugs klingt übrigens auch oft wie Bryan Adams. Ähnlicher Vergleich. :)
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