Com Truise - Galactic melt

Ghostly International / Al!ve
VÖ: 01.07.2011
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Die blecherne Liebeserklärung

Ein wenig Schizophrenie kann nicht schaden - dachte sich der US-Amerikaner Seth Haley, als er sich das 58. Pseudonym Com Truise schenkte und dieses gleich in die Luft schoss. Com Truise, das ist ein synthetischer Roboter-Astronaut, der sich auf die tollkühne Reise gen Galaxie "Wave I" begibt. Merkwürdige Dinge widerfahren ihm dort. Sexkassetten, Kathoden-Mädchen, Monsterlippen und Liebespein. Haley hat ihm dazu ausladende Soundscapes gebaut. Ein Vorgeschmack auf "Galactic melt" war bereits auf der EP "Cyanide sisters" zu hören: der Titeltrack, ein Stück, das Hochstimmung bei all jenen verursachte, welche die Zusammenarbeit zwischen Pino Donaggio und Filmregisseur Brian de Palma gänzlich neue emotionale Regungen entdecken ließ. Auf "Galactic melt“ fasst Haley nun all diese Teile in gedankliche Einheiten und nennt sie verheißungsvoll "Mid-Fi-Synth-Wave" und "Slow-Motion Funk".

Und so klingt "Galactic melt" tatsächlich wie ein irrwitziger Hybrid, der leicht verschmutzte, aber doch unschuldige Jungsphantasien in analog mit modernen Bassreglern in Einklang bringt. Die einzelnen Titel lassen dabei erahnen, was da so passiert, in "Wave I". Das Konzeptalbum - es ist noch da. Beginnend mit "Terminal", einem düsteren, spannungsgeladenen Aufbruch in unbekannte Welten, geht es direkt in die Erwachsenenabteilung der Videothek. Das anschließende Stöhnen von "VHS sex" klingt eher amüsant und erinnert etwas an Hot Chips Tobsuchtanfall "Shake a fist" mit deutlicher 80er-Referenz. Stotternde Synthesizer, funky und warm. "Air cal" nimmt einen dann plötzlich an die Hand, macht den Erdboden vergessen und zeigt eine brachiale Prom Night, wie sie in der amerikanischen Fernsehserie "Doogie Howser" hätte stattfinden sollen. Das Ganze kommt romantisch-monströs daher und fasziniert mit tiefen Beats, die irgendwo zwischen zu langsamen Breakbeats und Dub liegen. Man kann es nicht anders sagen: Die Mischung ist eigenartig, schwer klassifizierbar, mitunter anstrengend und dennoch resolut.

Durch andächtig kopiert-komponierte Synthesizer-Melodien werden Gefühle erzeugt. Mit proto-futuristischen Beats wird ihnen gehuldigt. Geht es etwa nicht um Sex, geht es gar um Liebe? Haley liebt, und zwar ganz eindeutig jene Soundflächen, welche man vor über zwanzig Jahren schätzte - die man aus "Top Gun", "Blade Runner", B-Movies und Serien kennt. Er legt dabei eine Passion an den Tag, die fast an Radikalität grenzt, ein Fantum mit obsessiven Zügen. Hoffentlich hält sich Com Truise noch ein wenig länger in "Wave I" auf. Nicht dass Seth Haley nach Kooperationen mit Twin Shadow, Neon Indian und Daft Punk sein Paralleluniversum allzu schnell verlässt.

(Carolin Weidner)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Air cal
  • Ether drift

Tracklist

  1. Terminal
  2. VHS sex
  3. Cathode girls
  4. Air cal
  5. Flightwave
  6. Hyperlips
  7. Brokendate
  8. Glawio
  9. Ether drift
  10. Futureworld
Gesamtspielzeit: 43:00 min

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