Beyoncé - 4
Columbia / SonyVÖ: 24.06.2011
Und das Lamm schrie Hurz
Es war fraglos ein genialer Schachzug von Lady Gaga, bei "Telephone" mit Beyoncé zu kollaborieren: Letztere als erfolgreichste Vertreterin dessen, was manchmal erstaunlich inkorrekt "Black Music" betitelt wird, zusammen mit der Madonna unserer Tage, die munter Disco, Eurodance und Bruce Springsteen zitiert. Hier materialisierte sich die Vermutung vollends, dass Pop seit Jahren fest in weiblicher Hand ist. Ob nun trotz oder wegen Justin Bieber, steht zur Diskussion.
Aber, wie Kollege Müller anlässlich von "Born this way" schon richtigerweise betonte, an Lady Gaga muss sich die Popkultur derzeit denn auch messen lassen, da hilft keine Kooperation, um statt Konkurrenz vertraute Nähe zu suggerieren. Beyoncé jedoch, und das kann man durchaus mutig finden, springt auf "4" nicht auf den naheliegenden Disco-Stampfer-Zug auf, sondern unternimmt den Versuch, an die güldene Hochzeit der Diven Mariah Carey, Céline Dion und Whitney Houston anzuschließen. Und das geht bitter los: Dieses "You", das sie da herausblökt im Opener "1 + 1" geht durch Mark und Bein. Hat jemand "Hurz" gesagt? Dazu ein traniges Gitarrensolo mit schmachtendem Hardrock-Balast, fertig ist der Albtraumstart. Wenn es tatsächlich stimmt, dass bewusst die guten Songs an den Anfang einer Platte gepackt werden, um die eiligen Käufer frühstmöglich abzuholen, droht hier Übelstes.
Glücklicherweise tritt Beyoncé auf "4" kein einziges Mal wieder so nah an den Abgrund heran wie auf dem besagten Eröffnungssong. Dennoch ist auf voller Albumlänge wenig zu vernehmen von dem übergroßen Ego, das man gemeinhin einem Weltstar unterstellt und zum Beispiel im Übersong "Single ladies (Put a ring on it)" bestaunen durfte. Meist bietet Beyoncé R'n'B, Pop und, in homöopathischen Dosen, Rock von der Stange. Da helfen auch der Bombast, den sie mal über den strunzlangweiligen Schmachter wie "Rather die young" drapiert, oder der Schlafzimmerblick bei "Love on top" wenig. Die Zeit der Diven ist offenkundig schon ein Weilchen abgelaufen, und es stimmt schon traurig genug, Whitney Houston durch ihre eigenen Hymnen hecheln zu hören. Wer will einen Superstar wie Beyoncé ernsthaft den Titanic-Schnulz von Céline Dion aufhübschen sehen? All das ist auch zu interpretieren als eine Kampfansage an den Fembot-Pop, der derzeitig in Gigantomanie von Lady Gaga oder in überragender Qualität von Robyn produziert wird und einen Eindruck davon vermittelt, wie ein Frauenbild auf der Höhe der Zeit aussehen kann. Beyoncé hingegen singt den Emanzipationsbacklash mit Zeilen wie "Make love to me / When the world is at war" herbei. Jay-Z sollte das eigentlich wenig verlockend finden.
Freilich gibt es gute Ansätze auf "4": die amoklaufenden Bläser in "Countdown" beispielsweise, einem Song, der offen von Rihannas "Rude boy" gelernt hat. Oder das marschierende "Run the world (Girls)" samt einem bildgewaltigen Videoclip mit Programmcharakter. Auch in der Überwältigungshymne "I was here" kann Beyoncé den Pathos ohne allzu viel Schweiß schultern. Dennoch bleibt der Eindruck überdeutlich zurück, dass sie die falschen Produzenten, die falschen Songs und die falschen Vorbilder gewählt hat. An die Hits der letzten Jahre reicht "4" an keiner Stelle heran. Eine Machtdemonstration sieht anders aus.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Best thing I never had
- Countdown
- I was here
- Run the world (Girls)
Tracklist
- 1 + 1
- I care
- I miss you
- Best thing I never had
- Party (feat. Andre 3000)
- Rather die young
- Start over
- Love on top
- Countdown
- End of time
- I was here
- Run the world (Girls)
Im Forum kommentieren
manaßas
2011-07-01 20:26:42
@Frank:
Ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn.
Viel härter ist es, dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten ihn zu Talks einladen.... obwohl.....wenn die Gäste sonste nix zu lachen haben....
meetzz
2011-07-01 17:56:24
@laut.de
naja ich sag nur 4/5 für take that
jay-z
2011-07-01 15:32:56
4 highlights=4 punkte
soviel dummdreistigkeit muss man erstmal besitzen....
progressive black muzak
2011-07-01 11:37:38
verdiente 8.5!
Nur zur lnfo
2011-07-01 00:15:21
Janelle Monáe = 8.5
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