
Black Lips - Arabia Mountain
Vice / CooperativeVÖ: 24.06.2011
Sprung in der Schüssel
Wer behauptet, es gäbe keine standardisierten Rezepte in der Musik, der sagt damit womöglich nicht die ganze Wahrheit. Freilich existiert kein eingetragenes Patent für den perfekten Popsong oder eine Garantie für den Erfolg eines Gitarrenriffs. Doch wer Mark Ronson einmal an der Angel hat, der kann sich seines zukünftigen Erfolges fast sicher sein. Selbst fast in der Versenkung verschwundenen 80er-Jahre-Ikonen kann Ronson zu alter Würde verhelfen, wie er es mit der Produktion von Duran Durans "All you need is now" bewies. Es muss erwähnt werden, dass sich der Erfolg sowohl in den Charts als auch bei den Kritikern einstellte. Nun dürfen die Black Lips aus der Coca-Cola-Stadt Atlanta Luftsprünge machen, denn Ronson führt auf deren sechstem Album "Arabia Mountain" Regie. Das bedeutet, es gibt eine Echternacher Springprozession im Turbotempo. Zwei Schritte zurück, drei nach vorn sind es gewöhnlich, hier ist es einer zurück und unzählige nach vorne. Die Vorwärtsgänge sind für Ronson stets die wichtigen.
Alle Produktion wäre nun jedoch null und nichtig, gäbe es da nicht das ausgefeilte Songwriting von Cole Alexander und Co. Angefangen bei Art-Punk in "Modern art" über das bluesige "Don't mess up my baby" und das Rolling-Stones-Gedächtnis-Ständchen "Dumpster dive" bis zum Folk-beeinflussten "Family tree" haben alle 16 Stücke das, was Oliver Kahn "Eier" nennen würde. Hier müsste es heißen: "Eier mit Stil und Charme". Das große Verdienst von Ronson ist darin zu erkennen, dass "Arabia Mountain" anders als die Vorgänger nicht zerfleddert, sondern beflissen und homogen wirkt. Viele Schnörkel wird man hier nicht entdecken, und an Überlänge scheitert das Album auch nicht, da bis auf zwei Stücke keines die Drei-Minuten-Marke überschreitet.
Die Black Lips steigern das Ganze dann sogar noch bis zur Hybris, indem sie zwei Kurzeinlagen dazwischenschieben, die ihren Feinschliff von Deerhunters Lockett Pundt erhalten haben. Unmittelbar aufeinander folgend überzeugen "Bicentennial man" und "Go out and get it" durch ihre Reduziertheit. Insbesondere ersteres gefällt sich als Melange aus dem "Well-respected man" der Kinks und "How I wrote elastic man" von The Fall. Ehe man sich verhört, ist das Doppelintermezzo nach gut vier Minuten schon wieder verklungen, doch dieses kleine Aufbegehren kennt hier nur zeitliche Grenzen, ansonsten ist es ein voller Erfolg. Ronson reißt den Rest anschließend wieder an sich und knüpft an diesen Erfolg an.
Mit viel Bass und Drums steuern er und die Black Lips "Arabia Mountain" gegen Ende an den Rand des Wahnsinns, doch immer wenn es zu kippen droht, wird für einen kurzen Moment der richtige Schritt zurück gewagt. Es gelingt ihnen, sowohl die auf den Punkt gebrachte Melodik von "New direction" als auch die völlig aus der Spur geratene Psychedelik von "You keep on running" zu einem kohärenten Konzept zu zusammenzufügen. Selbst vor himmelschreiendem Blödsinn machen sie nicht Halt. "Noc-a-homa" befasst sich tatsächlich mit dem Maskottchen der Atlanta Braves, einem Team der nordamerikanischen Major League Baseball. Ähnlich wie bei der Echternacher Springprozession wird man "Arabia Mountain" somit erst einmal amüsiert aus der Nähe begutachten, bevor man sich der illustren Gesellschaft hingibt und in jeden Song einstimmt. Dann wartet ein wahres Fest.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Modern art
- Bicentennial man
- New direction
- Don't mess up my baby
Tracklist
- Family tree
- Modern art
- Spider's curse
- Mad dog
- Mr. Driver
- Bicentennial man
- Go out and get it
- Raw meat
- Bone marrow
- The lie
- Time
- Dumpster dive
- New direction
- Noc-a-homa
- Don't mess up my baby
- You keep on running
Referenzen
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