Tim Bendzko - Wenn Worte meine Sprache wären

Columbia / Sony
VÖ: 17.06.2011

Öffentlich, rechtlich, privat

Gestern in den deutschen Charts mit seiner ersten Single "Nur noch kurz die Welt retten" auf Platz 12 eingestiegen und morgen schon auf den großen Bühnen der Welt. Zum Beispiel dem ZDF Fernsehgarten. Meine Damen und Herren, Applaus für Tim Bendzko, der nächsten hiesigen Pop-Entdeckung. Es ist ja so, dass man seit geraumer Zeit Unmengen an Konzerttickets und vergleichsweise viele CDs oder Downloads verkauft, wenn man einfach nur deutschsprachige Musik macht. Und wenn das Ganze dann auch noch ein bisschen nach Clueso mit einem Stückchen Ich + Ich und Xavier Naidoo drumherum klingt, dann ist die Sache doch schon geritzt. Mit anderen Worten: Bendzko kommt genau richtig, um die aktuelle Goldgräberstimmung in der deutschsprachigen Musiklandschaft mitzunehmen. Und hat sich das mehr verdient, als so manch anderer dort draußen.

Dabei hätte der Berliner Bendzko diesen ganzen Quatsch gar nicht nötig gehabt und mit etwas Glück über die Station beim 1. FC Union Fußballprofi werden können. Aber nein, der Junge wollte ja nicht auf seine Eltern hören und etwas Vernünftiges lernen. Stattdessen gibt sich Bendzko lieber warmem, souligem und nettem Deutsch-Pop hin, der bloß niemandem wehtun möchte. Die größtenteils zum Glück auf niederträchtige Floskeln verzichtenden Texte bleiben zumeist im Ungefähren und handeln natürlich vom Suchen und Finden der Liebe, des eigenen Ich. Produziert hat "Wenn Worte meine Sprache wären" der gute, alte Bekannte Swen Meyer, der sich vor allem bleim Grand Hotel van Cleef seine Sporen verdiente. Meyers runder, voller Sound legt sich passend um die melancholische Sehnsucht, die Bendzko in den privateren, den besten Augenblicken, und auch den fröhlichen wie "Mehr davon" verströmt.

Viel vorzuwerfen ist Bendzko wirklich nicht. Gekonnt pendeln sich die Stücke auf mittlerem Tempo ein. Ruhige, aufs Nötigste enblätterte Songs gibt es genauso wenig wie überkandidelt aufgeblasene. Die Liebe Bendzkos zur Musik ist deutlich zu spüren und damit auch sein Potenzial. Etwas mehr Mut zum Anecken, zum Besonderen wäre wünschenswert, etwas feinere Nuancen in den Stimmungen. Gerade die Vorsicht verleiht dem Album einen faden Beigeschmack und lässt es knapp unter den Durchschnitt rutschen. Aber wer sind wir, dass wir uns herausnehmen, gut gemeinte Tipps zu geben. Die deutschsprachige Musiklandschaft ist bunter und breiter als wohl jemals zuvor. Tim Bendzko ist mit seinem Wohlfühl-Gitarren-Pop für den Moment anscheinend ein wichtiger Baustein, um zumindest die Sehnsüchte des öffentlich-rechtlichen Publikums zu befriedigen. Aber ob das ein Kompliment ist?

(Kai Wehmeier)

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