
Bon Jovi - Crush
MercuryVÖ: 29.05.2000
Handzahme Melodien ohne Biß
Die Matten sind seit langem ab, die Kanten abgeschliffen. Bon Jovi haben sich über die Jahre hinweg zu genau dem entwickelt, was gemeinhin als "Mainstream" betitelt wird. Sie entlocken ihren Instrumenten und Stimmbändern Melodien für Millionen. Melodien, die niemandem weh tun und gerade deshalb der breiten Masse und den Formatradio-DJs die Tränen in die Augen treiben. "Just older" ist ein Stück auf dem inzwischen siebten Band-Studioalbum "Crush" betitelt, und wer erwartet heute schon noch, daß sich bei Bon Jovi nach fast 20 Jahren Bandgeschichte noch etwas gravierendes ändert außer dem Alter? Der zweistelligen Zahl, die in den Teeniegazetten immer zurückhaltend in Klammern plaziert wird und auf die irgendwann, sobald sie zu weit von der Zielgruppe entfernt ist, ganz verzichtet wird?
Der Opener "It's my life", gleichzeitig erste Single, läßt ein klein wenig aufhorchen, ist er doch erfrischend weit weg vom gewohnten Bon Jovi-Einheitsbrei, jedoch auch nicht mehr allzu fern von den Ergüssen gesichtsloser Pop-Retortenbands. Es folgt mit "Say it isn't so" ein durchschnittlicher Midtempo-Song. Dann endlich ist es so weit. Teenager dieser Welt, packt die Feuerzeuge aus! "Thank you for loving me" ist eine Breitband-Ballade, die an keiner Stelle spart und an allen richtig dick aufträgt. Es wird so weit ausgeholt, wie es außer Bon Jovi kaum jemand wagen würde - lediglich zwei Kollegen kommen noch in den Sinn: Der Meister des Bombasts Meat Loaf hätte, mit einem Zusatz wie "(It was a good time for both of us anyway)" wohlgemerkt, an dem Stück seine helle Freude gehabt, und Elton "Kerze im Wind" John hätte sich am schmachtenden Piano endlich wieder richtig wohl gefühlt. Fünf Minuten haben die Wunderkerzen Zeit, um abzubrennen, das Herz zum Glühen und die Wehmut zum Überkochen zu bringen.
Doch die nächste Packung Wunderkerzen sollte schon griffbereit in der Nähe liegen, denn die gelungenen "Two story town" und "Mystery train" sowie zwei weitere Halbballaden sind nur kurze Verschnaufpausen, bevor es mit "Save the world" wieder zur Sache geht. Die Gitarre beginnt zu wimmern und Jon Bongiovi stimmt mit "I could fly like I can save the world. This is the night your love saved me. Maybe I can save the world." sehnsuchtsschwanger ein. Ganz neue Perspektiven möchte sich der gute Jon eröffnen, doch sein Versuch, vom Boden abzuheben wird von den kitschbehangenen Flügeln jäh gebremst und zurück auf den Boden der Tatsachen geholt. Wirklich zu stören scheint das niemanden. Die Feuerzeuge glühen immer noch, die Finger sind übersät von Brandblasen, und alle liegen sich in den Armen.
Irgendwann sind dann die letzten Töne von "I could make a living out of lovin' you" verklungen und das Konzert zu Ende. Die Spätgeborenen gehen mit feuchten Augen und ebensolchen Träumen im Sinn nach Hause in die posterbehangenen vier Wände. Das "Bed of roses", das "Always", auf das die Fans mit jedem Album warten und nie enttäuscht werden, fehlte diesmal leider. Tränendrücker gibt es auf "Crush" wahrlich genug, aber keine, die auch Menschen, die Bon Jovi gewöhnlich verachten, auf Anhieb in ihr Herz schließen, ohne es wirklich zuzugeben. So wissen Bon Jovi mit dem neuen Album niemanden wirklich zufriedenzustellen. Die alten Anhänger haben sich ohnehin längst abgewandt, um den Raum in der Arena für die neue, ungleich zahlreichere Anhängerschaft zu räumen. Auch für diese neue Gemeinde fehlen auf diesem Album die alles überragenden Songs. Einige nette und unkaputtbare Melodien glimmen auf, aber kaum solche Klassiker, die im Jahre 2020 beim einmillionsten Stadionauftritt der ergrauten Bon Jovi zwischen Gassenhauern wie "Runaway", "Bed of roses" und "Living on a prayer" ihre volle Daseinsberechtigung haben werden.
Highlights & Tracklist
Highlights
- It's my life
- Two story town
- Mystery train
Tracklist
- It's my life
- Say it isn't so
- Thank you for loving me
- Two story town
- Next 100 years
- Just older
- Mystery train
- Save the world
- Captain Crash & the beauty queen from Mars
- She's a mystery
- I got the girl
- One wild night
- I could make a living out of lovin' you
Referenzen
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