Battles - Gloss drop

Warp / Rough Trade
VÖ: 03.06.2011
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Die Eisbombe

Alles fängt ganz harmlos an. Keine dreihändig gespielten, polyrhythmischen Drum-Synkopen, keine Griffbrettakrobatik kurz vor dem Nervenzusammenbruch, keine Teletubbies, die umnachtete Chöre singen. Stattdessen eröffnet lediglich eine orchestrale Gitarre in Shoegaze-Laune das zweite Battles-Album - wird dann aber bald von gezupften Synthi-Streichern in den Allerwertesten gepiekst, ehe eine grollende Bläsersektion zu längst fälligem Trommelwirbel die Möbel schiefrückt. "Africastle" einen Opener zu nennen, wäre grobes Understatement. Man sollte lieber Ouvertüre dazu sagen - und das angestrengt klingende Etikett Math Rock, mit dem man Battles aus New York zumeist assoziiert, einmal für eine knappe Stunde vergessen.

"Gloss drop" ist nämlich genauso wie "Mirrored" eine verdammt spaßige Angelegenheit. Spielfreude statt Ringen um musikalische Ausdrucksmittel, Arschwackeln statt Denkerstirn. Die Single "Ice cream" hüpft auf hyperaktiver Elektronik und Brummelbass so aufgekratzt im Kreis, dass Matias Aguayo, ehemalige Hälfte von Closer Musik, nur noch glucksende Vocal-Ad-Libs zum Besten geben kann. Ein sommerlicher Veitstanz, den "Futura" angemessen fortsetzt: Ungewöhnlich lineares Schlagzeugspiel flankiert einen verspielten Keyboard-Loop, den die Obertöne aus der Gitarre auf den Dancefloor zerren. Dort wartet ein Steeldrum-Ensemble auf Urlaub im Walzwerk schon darauf, den Refrain zu zerdengeln. Selten hat man Gesang weniger vermisst als bei diesem Apocalypso der Synapsen - trotz Tyondai Braxtons Ausstieg ist auf diesem Album aber mehr denn je davon zu hören.

Denn "Gloss drop" bezieht seine Spannung nicht nur aus Ian Williams' waghalsigen Gitarrentappings, John Staniers perkussivem Rollkommando und einem übergeschnappten Buntmetall-Orchester, sondern auch aus prominenten Vocal-Features. Im bombenden Industrial-Brecher "My machines" gibt Gary Numan zu den digitalen Posaunen von Jericho kehlig das Rumpelstilzchen, Kazu Makino von Blonde Redhead verleiht dem staubfressenden Funk von "Sweetie & shag" einen Hauch von Lieblichkeit, und den zunächst recht aufgeräumten Rausschmeißer "Sundome" führt Boredoms-Zeremonienmeister Eye Yamantaka mit lautmalerischen Beschwörungen in gespenstische Dimensionen.

Begriffe wie Prog, Tribal Dance oder eben Math Rock mit Schwerpunkt Bruchrechnung möchte man dem planvollen Verwirrspiel da schon längst nicht mehr zuordnen. Das wäre nämlich ein aussichtsloses Unterfangen, wenn einem dabei dauernd so viel bonbonfarbene Süßmasse um die Ohren fliegt, dass Ausweichen schwerfällt. Den Instrumenten geht es zwar nicht besser, was ihnen aber herzlich egal sein kann: Obwohl sich Partituren, Grooves und Harmonien ständig gegenseitig umrennen, helfen sie sich wieder auf die Beine und kriegen am Ende stets die Kurve. Zur rettenden Melodie, einer schlüssigen Auflösung und ab und an sogar zu einer Art Popsong - wenn auch mit erhöhtem Schwierigkeitsgrad. Doch nicht verzagen: Wer dranbleibt, wird belohnt. Möchte jemand Eis?

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Africastle
  • Ice cream (feat. Matias Aguayo)
  • Futura
  • My machines (feat. Gary Numan)

Tracklist

  1. Africastle
  2. Ice cream (feat. Matias Aguayo)
  3. Futura
  4. Inchworm
  5. Wall Street
  6. My machines (feat. Gary Numan)
  7. Dominican fade
  8. Sweetie & shag (feat. Kazu Makino)
  9. Toddler
  10. Rolls bayce
  11. White electric
  12. Sundome (feat. Yamantaka Eye)
Gesamtspielzeit: 53:53 min

Im Forum kommentieren

The MACHINA of God

2015-09-18 15:45:11

Eigentlich wirklich ein klasse Ding. Der MickyMaus-Gesang fehlt mir gar nicht und "Ice cream" ist mir sogar lieber als "Atlas". Klar fehlt natürlich der Wahnsinn des Debuts, trotzdem (nicht nur im Vergleich zur Neuen) ein würdiger Zweitling.

The MACHINA of God

2015-09-18 13:46:21

Hör ich mir angesichts der enttäuschenden neuen Platte gleich mal wieder an.

Körperklaus

2013-03-26 14:21:01

von plattentest und ihren teilweise blindgehorsamen lesern vielleicht. verkannt, das ist nicht lache. ein der alben des jahres damals...aber was rede ich hier...hör es dir einfach an, brauchst du dafür wirklich den rat von mir?

me

2013-03-26 13:18:31

Ich muss gestehen, wegen der Rezensionen und meiner Verehrung des Debuts (einer meiner Lieblingsreferenzen zum Boxentest), diese Scheibe bislang nicht angehört zu haben. Sollte ich es eurer Meinung nach tun? Mit dem gegebenen zeitlichen Abstand betrachtet - wurde die Scheibe verkannt?

The MACHINA of God

2013-03-25 20:42:47

Der kommt bald. *hust*

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