Planningtorock - W

Rostron / DFA / Cooperative / Universal
VÖ: 20.05.2011
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Ein Albtraum im Zenit

Im Mittleren Westen verläuft ein rostiges Gleis durch karge Ödnis. Am Horizont ein dunkler Fleck, der sich gleichmäßig auf und ab bewegt und größer wird. Die Bewegung des unbekannten Objekts wirbelt Staub auf, und die Luft vibriert. Eigentlich passiert nicht viel. Nach einigen Minuten gewinnt die Maschine Kontur. Über das Gleis bei 45°C im nicht existenten Schatten rollt eine eigentümliche Maskerade. Eine verhüllte Frau auf der einen Seite des Gefährts drückt den Hebel hoch und runter, auf der anderen Seite passiert selbiges und so funktioniert Mechanik - Bewegung entsteht. Die Mensch-Maschine pumpt sich durch die windstille Wüste. Doch während Wahl-Berlinerin Janine Rostron mit kräftigen Oberarmmuskeln und Che-Guevara-Augenbrauenwülsten allein auf ihrem Stahlschemel schmettert, befindet sich ihr gegenüber ein Monstrum aus Gliedmaßen, welches fünf Streicher, acht Syntheziser und ein Saxophon spielt.

Die Musik von Planningtorock ist ein ungreifbarer und bedrohlicher Mutant. Bereits im Opener "Doorway" stampft ein monotoner Basslauf, während eine geschlechtslose Stimme "I know my feelings" in Endlosschleife wiederholt. Eine Wildwest-Melodie erklingt, es wird weiter marschiert, der auf den Hörer gerichtete Revolver zieht unerträglich langsam an seinem Kopf vorüber, hält dabei den Fokus und betätigt den Abzug dann doch nicht. So verebbt "Doorway" wie ein Nackenschlag, bis das nächste Ungetüm wenige Sekunden später unter einem Stein hervorkriecht.

Rostron, die Britin am Kottbusser Tor mit den vielen Stimmen und einer Affinität zum Maskenball, steht auf "W" in einem steten Wettstreit mit ihrem Instrumentarium. Wie in dem mittlerweile zum Selbstläufer erhoben Werbespot "Mein Haus, mein Auto, meine Rentenversicherung" zückt Rostron die Karten "Mein Vocoder, meine Krypto-Lyrics ohne Subjekt und Objekt, meine Tarnkappe". Damit das Ding aber rollt, und das tut es zweifelsohne, braucht es einen Gegenspieler – sonst droht der Stillstand in Colorados Wüste. "Mein Traumschiff-Saxophonsolo, meine Marschkapelle, mein Wummern!" Auf keinem anderen Stück auf "W" gelingt dies so gut wie auf "The breaks". Rostron schmettert mit tiefer Stimme "Oh we break / Oh we break too easily / Oh you break too easily", verdoppelt ihre Stimme zu einem geisterhaften Chor aus Hall und Wortfetzen. Gleichzeitig drückt ein breiter Beat die Synthiewand gegen Rostrons Gesang.

Planningtorock gelingt diese Verschmelzung nicht auf allen Stücken. Gelegentlich braucht es zu lange, bis der ersehnte Stimmeneinsatz dem hypnotisch wirken wollenden Klängen eine Kontur verleiht. Dann wieder ist ihre Stimme so präsent, dass sie den Rest zu schlucken scheint. Dennoch funktioniert "W". Auf eine sonderbare Art und Weise zwar, aber das Gleis-Vehikel ist schon verschwunden, der Sand legt sich wieder auf den kargen Boden. Nur ein paar Kaktusblüten, die sind vor Schreck abgefallen und liegen nun wie Zeugen auf der Erde rum.

(Carolin Weidner)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • Going wrong
  • The breaks
  • 9

Tracklist

  1. Doorway
  2. The One
  3. Going wrong
  4. Manifesto
  5. I am your man
  6. The breaks
  7. Living it out
  8. Milky blau
  9. Jam
  10. Black thumber
  11. Janine
  12. 9
Gesamtspielzeit: 50:00 min

Spotify

Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv

Threads im Forum