Finn. - I wish I was someone else
Sunday Service / IndigoVÖ: 29.04.2011
Persönlichkeitsverstörung
Patrick Zimmer wäre gerne jemand anderes. Derzeit ist er Finn., aber das muss es jetzt mal gewesen sein. Waren seine ersten Platten noch wummsige Indietronic - "The ayes will have it!" hatte nicht umsonst ein Ausrufungszeichen dabei -, steckte bei "The best low-priced heartbreakers you can own" plötzlich eine Träne im Knopfloch und ein ganzes Orchester im Nacken. Zimmers Musik wurde zunehmend still, denn die vermutete Instrumental-Grandezza hielt vor allem den Atem an. "I wish I was someone else" macht nun prinzipiell das gleiche, nur mit deutlich weniger Gerätschaft.
Für die Zukunft will Zimmer das Pseudonym ablegen. Die großen Augen des Koboldgesichts hat er für das Cover schon einmal ausgewischt. Passend dazu will er dreizehn alten Schlagern eins auswischen. Immer wieder hatte er seltsame Neuinterpretationen von Gassenhauern wie "Moon river", "White Christmas" oder "Tiny dancer" verstreut. Auch jetzt versucht er sich vor allem an großen Nummern wie "She's always a woman" oder "Georgia on my mind", die er meist klein und einsam gegen das Lagerfeuer ansingt. Da geht einem vor lauter Mitleid das Herz auf.
Zimmer ist kein Fan mit bedenklichem Musikgeschmack. Es mag zwar sein, dass er die Stille deswegen sucht, weil er sich nicht recht an die Nummern herantraut, aber wer schon "I just called to say I love you" entkernt hat, den wirft auch "Love is in the air" nicht um. Man hört weder Ehrfurcht noch Ironie, wenn er aus John Paul Youngs Disco-Evergreen ein gezupftes Wiegenlied macht. Erstaunlich auch, wie er Tina Turners "Private dancer" von jeglichem Achtziger-Pomp befreit. Da erinnert man sich gar daran, dass Mark Knopfler mal ein großer Songwriter war. Auch der Melancholie von "Don't dream it's over" kann Zimmers Falsett nichts anhaben. Für die Everly-Brothers-Schmozette "Crying in the rain" hält er sich jedoch an Dirk von Lowtzows dramatischem Bariton fest, damit alles gut wird.
Man hört kein Grinsen, wenn Zimmer diese Klassiker verbeult. "Dancing with tears in my eyes" holpert als besoffener Reggae in Richtung Weltuntergang, dafür wird Bob Marleys "I shot the sheriff" zum langsamen Walzer. Dass das klassische Zwischenspiel unmöglich in den Dreivierteltakt passt, stört doch höchstens Eric Clapton. Das hat schüchternen Charme. Gerade bei den Schmachtfetzen der zweiten Hälfte jedoch hätte man Zimmer etwas mehr Testosteron gewünscht. Sein "Kiss" gerät anämisch, George Harrisons "I live for you" zeigt kaum noch Lebenszeichen, und in "Georgia on my mind" zerbricht Zimmers dünnes Stimmchen völlig. Dabei hat Finn. doch eigentlich gar kein Gesicht mehr zu verlieren.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Don't dream it's over
- Private dancer
- Crying in the rain
- Dancing with tears in my eyes
Tracklist
- Don't dream it's over
- Love is in the air
- Private dancer
- Crying in the rain
- Kiss
- Dear Mary
- Ne dis rien
- Moonchild
- Dancing with tears in my eyes
- I shot the sheriff
- I live for you
- She's always a woman
- Georgia on my mind
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247
2011-06-28 09:49:00
finn. covert sich einmal quer durch die jüngere Geschichte der Popmusik.
Tracklist:
1. Don't Dream It's Over
2. Love Is In The Air
3. Private Dancer
4. Crying In The Rain (mit Dirk von Lowtzow)
5. Kiss
6. Dear Mary
7. Ne Dis Rien
8. Moonchild
9. Dancing With Tears In My Eyes
10. I Shot The Sheriff
11. I Live For You
12. She's Always A Woman
13. Georgia On My Mind
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