Robbie Robertson - How to become clairvoyant
Macrobiotic / 429VÖ: 08.04.2011
Rentenerhöhung
Mit den alten Knackern ist es ein zweischneidiges Schwert. Nicht jeder liefert, wenn andere schon in Rente sind, noch Meisterwerke ab wie Clint Eastwood oder hält den Alkohol- und Rock'n'Roll-Pegel so hoch wie Lemmy Kilmister. Gewisse Abnutzungserscheinungen stellen sich bei jedem von uns irgendwann ein. Und wenn man den Biologen glauben darf, dann ist der 25. Geburtstag schon der Anfang vom Ende. Es ist also keine Überraschung, dass AC/DC und die Rolling Stones ihren kreativen Zenit vielleicht schon hinter sich haben, sondern eher verwunderlich, dass Angus Young und Keith Richards noch auf der Bühne stehen.
Robbie Robertson ist wie Richards Jahrgang 1943 und hat sich gemütliche 13 Jahre Zeit gelassen für "How to become clairvoyant". Und da das Ende der kanadischen Proto-Rocker The Band auch schon wieder 30 Jahre zurückliegt (wenn man die zwischenzeitliche Wiedervereinigung ohne Robertson mal großzügig außen vor lässt), ist es kaum verwunderlich, dass der Mann sich in all den Jahren etwas vom alten Sound verbschiedet hat. "How to become clairvoyant" ist ein warmes Gitarrenpop-Album, dem die Sonne aus dem Hintern scheint und das sich die allermeiste Zeit relaxt und nur an ein oder zwei Stellen etwas zu betulich gibt.
Ein wenig Skepsis ist allerdings nach einem Blick auf die Gästeliste schon angebracht. Dass Eric "Slowhand" Clapton auf nahezu jedem Stück die sechs Saiten bedient und teils gar als Co-Autor firmiert, hätte auch in einem Desaster aus elendig langsam gezupften Akkorden enden können. Stattdessen legt "Straight down the line" mit einem funky Basslauf, perkussivem Blues und zwingender Slidegitarre vor. "I do not play no rock and roll / I will not be moved to sell my soul", raunt Robertson ins Mikro. Das hat er hinter sich, jetzt macht er es sich auf der Veranda bequem und besingt den Sonnenuntergang im soulig-warmen "When the night was young". Unerwartet belanglos ist eigentlich nur "Madame X", ein Instrumentalstück, zu dem Trent Reznor einige Klangcollagen beigetragen hat.
Manchmal, wie in dem treibenden Beat von "He don’t live here no more", dem hintergründig mit dem Kopf nickenden Rhythmus von "Fear of falling" oder dem dank Tom Morello knarzig-verqueren "Axman", ist Robertson noch ganz nah dran am Rock. Und das macht die Faszination dieser Platte aus. Mit den typischen Mitteln klassischer Rockmusik – Bass, Schlagezug, E-Gitarre, Slide, Wurlitzer -, aber auch deren Stilistik und Klangstruktur entstehen auf "How to become clairvoyant" im besten Sinne zeitlose Popsongs, die sich nicht aufdrängen, aber lange im Ohr bleiben. Hoffentlich mindestens so lange, bis die nächste Generation zu den alten Knackern gehört.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Straight down the line
- He don't live here no more
- Axman
Tracklist
- Straight down the line
- When the night was young
- He don't live here no more
- The right mistake
- This is where I get off
- Fear of falling
- She's not mine
- Madame X
- Axman
- Won't be back
- How to become clairvoyant
- Tango for Django
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- Robbie Robertson - Sinematic (1 Beiträge / Letzter am 21.09.2019 - 23:14 Uhr)