Thomas Dybdahl - Songs
Strange Cargo / UniversalVÖ: 29.04.2011
Gackerndes Stillleben
Warum fangen so viele Musikliebhaber hierzulande fast an zu sabbern, wenn sie das Wort "Skandinavien" hören? Weil Mando Diao "sooo süß" sind? Bitte nicht! Weil wir alle seit Kindheitstagen hoffnungslos am Bullerbü-Syndrom leiden? Nicht ganz zu leugnen. Aber hauptverantwortlich sind wohl eher die Wagenladungen hörenswerter Musiker, die der hohe Norden am Fließband zu produzieren scheint. Über die Gründe ist einfallsreich spekuliert worden: die gute musikalische Infrastruktur vielleicht, dazu lange Winter, in denen es nichts zu tun gibt als Krimis zu schreiben und Musik zu machen. Nicht zuletzt gibt es ja noch die Tatsache, dass sich das herumgesprochen hat und der heißeste Scheiß aus Uppsala oder Oslo hier ungleich mehr Beachtung findet als der aus Warschau oder Kaliningrad.
Beste Voraussetzungen also für Thomas Dybdahl. Doch auch wenn es ihm zu gönnen wäre: Von "Greatest hits" kann der Singer-Songwriter außerhalb seiner norwegischen Heimat noch nicht sprechen. Macht nichts, so sind es halt schlicht "Songs", die er mit der neuen Plattenfirma aus seinem bisher sechsteiligen Oeuvre kompiliert. Dass mit "Thomas Dybdahl" erst im vergangenen Jahr ein Best Of erschienen ist, das sich auch noch in neun Songs mit der Neuerscheinung deckt - nun ja. Das Zusammenstellen sollte sich ohnehin nicht zu kompliziert gestaltet haben: Dybdahls Musik ist homogen genug, jedes Lied trägt die Atmosphäre in sich, die manche gerne als "intim" bezeichnen. Seine Stimme verdient in sämtlichen Höhenlagen das Conor-Oberst-Zertifikat für kompetentes vokales Leiden. Der vielleicht magischste Moment glimmt auf, wenn "Cecilia" als Schutzpatronin der Musik dazu noch eine wunderschöne Refrainmelodie beisteuert.
Die "Songs" nehmen sich in jeder Hinsicht Zeit: Intros wie Outros breiten sich in aller Ruhe in ihren liebevollen Folk-Arrangements aus, das Tempo bleibt eher gemächlich - ein Stück wie "All is not lost" schafft es auch ohne große Geschwindigkeit, zu grooven. In dieser Besonnenheit scheint die Musik weniger einem bestimmten Punkt entgegenzustreben als unbestimmt durch die Gegend zu schwirren und zu schweben. Meist gelingt das gut, bei "One day you'll dance for me, New York" zum Beispiel, das den Hörer vom jazzigen Saxophon-Auftakt an mit jedem Akkord ein bisschen fester umklammert. "Don't lose yourself" oder "It's always been you" hingegen verirren sich auf dem selben Weg etwas. Nicht, weil die klangliche Schönheit sich rar machte - die Instrumentierung ist auf jedem einzelnen Song so sorgfältig wie stilsicher. Nur irgendetwas, das dem Stillleben Bewegung einhauchen würde, fehlt in manchen Momenten. Wobei: Sollte man sich da zu sehr beklagen bei einer Platte, die auf "Something real" einen ganzen Bauernhof zur grandiosen Gacker-Bridge antanzen lässt? Vielleicht gut, dass die Spucke nicht permanent wegbleibt. Das mit dem Sabbern würde sich sonst schwierig gestalten.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Cecilia
- All is not lost
- One day you'll dance for me, New York
Tracklist
- From Grace
- A love story
- Cecilia
- All is not lost
- The great October sound
- Don't lose yourself
- Pale green eyes
- B.A. part
- One day you'll dance for me, New York
- Dice
- It's always been you
- Something real
- Rain down on me
- Songs
Referenzen
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