Tracy Bonham - Down here
IslandVÖ: 17.04.2000
Hinter jeder guten Frau
Im Jahr 1996 standen die Damen der Rockwelt Schlange, um im Zuge der Alanisierung der Rockwelt ein Scheibchen Ruhm abzubekommen. Eine heiße Kandidatin, die damals in aller Munde war, hörte auf den Namen Tracy Bonham. Ihre schneidende Kombination von grantigen Rockgitarren und fies gefiedelten Violinentönen hinterließ mit "Mother, mother" einen beeindruckenden Szenehit. Lilith Fair war das Szenefestival schlechthin und alles schien gut. Bald allerdings übernahmen die Spice Girls das Ruder und Frauen mit verzerrten Gitarren in der Hand wurden auf die Rote Liste für bedrohte Arten gesetzt.
Im April '99 sollte dann mit "Trail of a dust devil" ein Nachfolger zu "The burdens of being upright" erscheinen, der diesen Mißstand beseitigen sollte. Durch den Aufkauf der Mutterfirma verschob sich der Release aber immer wieder. Jetzt, da das Album endlich das Licht der Welt erblickt, trägt es zwar mit "Down here" einen neuen Titel, hat aber nichts von seiner Kraft verloren. Die Multiinstrumentalistin Bonham (Violinen, Gitarren, Bässe, Orgeln, Drums) hält ein reichhaltiges Gebräu auf Lager, das alle Ingredienzen für eine schweißgetränkte Nacht bereithält. Im Gegensatz zu vielen Mitstreiterinnen begibt sie sich nicht in vergeistigte Sphären, sondern bietet weiterhin Handfestes. "Something tells me that Snowwhite / is smarter than we think / seven men at perfect height / seven noses pink" grinst sie in "Behind every good woman" den Chauvis ins Gesicht. Die Kopfschmerzen sind diesmal für jemand anderen reserviert.
Das Selbstbewußtsein, das man dieser Platte an allen seinen Ecken und Kanten anhört, spricht Bände. Nichts ist heilig und schon gar nicht das eigene Empfinden. Sich der eigenen Schwächen bewußt zu sein, entpuppt sich als Stärke. "I happen to like all my defects / But my TV don't agree" singt sie und holt schon mal aus, um dem Fernseher einen deftigen Tritt zu versetzen. Verschreckt hausen die üblichen Gewohnheiten in ihren Ecken und wollen nicht wahrhaben, daß man mit Violinen auch anders umgehen kann, als es uns André Rieu, Vanessa-Mae und Nigel Kennedy weismachen wollen. Selbst Balladen wie "Second wind" oder "Give us something to feel" umschiffen im Gegensatz zu jüngeren Werken von Skunk Anansie die Klippen von Cape Kitsch spielerisch. "Down here" werden andere Saiten aufgezogen.
Eine merklich gereifte Tracy Bonham hat immer noch die Energie in sich, um zornige Songs zu schreiben, verpaßt diesen aber stets das gewisse Augenzwinkern. Die kraftvolle und doch manchmal zerbrechlich scheinende Stimme hat genügend Durchsetzungskraft, um in den vielschichtigen und dennoch druckvollen Arrangements um die rohen Gitarren und die verspielten Geigentöne ihre volle Wirkung zu entfalten. Das bonhamsche Songwriting offenbart zudem in Songs wie "Freed", "Cold day in hell" und "You don't know me" eine beeindruckende Tiefe. "I thank God that I'm not perfect" singt sie. Solange dabei Alben wie dieses herauskommen, braucht kein Mensch Perfektion.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Behind every good woman
- Fake it
- You can't always not get what you don't want
Tracklist
- Freed
- Behind every good woman
- You don't know me
- Fake it
- Cold day in hell
- Jumping bean
- Oasis hotel
- Second wind
- Thumbelina
- Meathook
- You can't always not get what you don't want
- Give us something to feel