
Kode9 & The Spaceape - Black sun
Hyperdub / CargoVÖ: 15.04.2011
Basstrologie
Danach kann nichts mehr kommen. Da sind sich fast alle bei jedem noch so kleinen Ausschlag auf der Geilheitskurve der Musikgeschichte einig. Was sollte nach Elvis denn auch schon geschehen? Konnte doch nur Wiederholung sein. Zum Glück kümmerten sich Töne immer herzlich wenig um solch dödelige Schlaumeiereien aus Schlaumeierreihen. Und so poltert dann aus den Tiefen der englischen Computer-Welt kurz nach der Jahrtausendwende ein neuer Sound, der rhythmusgetrieben und basslastig aus einem nihilistischen Raum dröhnte. Pionier der ersten Stunde ist Kode9, der mit seinem Label Hyperdub einer der Dreh- und Angelpunkte der ganzen Geschichte ist. Die hat sich seither gewandelt, gedreht, gebogen und geformt. Längst sind die Einflüsse des Genres auch im Pop angekommen. Doch ein komplettes Album hatten Kode9 und Spaceape einzig vor fünf Jahren mit "Memories of the future" abgeliefert. "Black sun" ist nun der zweite Aufschlag im Langspielplattengeschäft der beiden. Und da wo einst noch einzelne Mini-Reste Dub zu vernehmen waren, klafft nun endgültig die Wunde in der Zeit.
Zwar weiß "Love is the drug" noch um menschliche Gefühle, aber mehr als in der vergrabenen Stimme kann es dafür keinen Platz geben. Direkt rieselt der Sand durch die Gehörgänge. Unweigerlich driften die Dinge auf "Hole in the sky" zu, das schief und quer kreuzt und sich in die Eingeweide drückt. Es ist ein kühles Ausdrücken des letzten Glimmens. Der Druck, den Spaceape mit seinen Lyrics in "Am I" runterstaccatoniert, macht sich mehr und mehr Luft, um schlussendlich zu implodieren. Die Beats folgen dem eigenen Puls, den Kode9 "Black sun" vorschreibt. Einzelne Takte brechen in "Neon red sign" leise weg, während der tonnenschwere Bass wie ein bedrohliches Tier über die Melodie wacht. Jede Sekunde könnte der Rhythmus unter der Last zerbrechen. Kode9 lässt Spaceape die passenden Passagen und auch der Einsatz von Cha Cha erfolgt in den empfindlichsten Stellen der Tracks. Es sind diese Weiten, diese kalten Sterne, unter denen sich "Black sun" biegt und die dafür sorgen, dass die Umlaufbahnen der einzelnen Spuren eingehalten werden. Und dann leiert "Otherman" einen letzten Abgesang auf die Melodie herunter, nur um gleich wieder in den toten Kosmos zu gelangen.
Keine Lücken, keine Schnittstellen, sondern nur dieser Monolith aus Sound streckt sich durch die Boxen. Sirenen schreien unter den Ruinen von "Bullet against bone" und winden sich unter den Beats. Kode9 und Spaceape harmonieren und haben ihren eigenen Stil gefunden ohne sich dabei vom Ursprung abzuwenden. "Black sun" ist dabei jedoch kein Statement, sondern einfach eine gute Platte. Am Ende laufen die Fäden bei "Kyron" zusammen, an dem auch Flying Lotus mitarbeitet. Brausepulver zündet sich am Trommelfell, in weiter Entfernung sind einzelne Laute, Worte und Sätze zu vernehmen. "Black sun" hat sich zu diesem Zeitpunkt einmal um sich selbst gedreht und das nicht mutwillig, sondern durch seine Natur. In nur knapp drei Minuten macht das der Abschlusstrack klar und entlässt wieder raus aus dieser Unendlichkeit, die keine Karte kennt. Düster und kalt, fern und unnahbar steht "Black sun" da. Keine Metaphysik, keine Religion kann sich dem nähern. Einsamkeit kennt keinen Sinn.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Black smoke
- Love is the drug (feat. Cha Cha)
- Kyron (feat. Flying Lotus)
Tracklist
- Black smoke
- Promises
- Am I
- Love is the drug (feat. Cha Cha)
- Neon red sign (feat. Cha Cha)
- The cure (feat. Cha Cha)Black sun
- Hole in the sky
- Otherman
- Green sun
- Bullet against bone
- Kyron (feat. Flying Lotus)