Tiemo Hauer - Losgelassen

Green Elephant / Soulfood
VÖ: 29.04.2011
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Und innen ganz weich

Spätestens seit Herbert Grönemeyer wissen wir, dass Männer es im Leben nun mal nicht leicht haben. Emotional unterentwickelt, notorisch missverstanden. Außen hart und innen ganz weich und so. Nimmt man Tiemo Hauer als Maßstab, hatte Herbie mit letzterer Aussage nur zur Hälfte recht. Der 21-Jährige Stuttgarter sieht mit seinem Milchbart-meets-Wuschelkopf-Gesicht so niedlich aus, dass man ihn am Liebsten knuddeln würde. Doch in krassem Gegensatz zu seinem leicht verstrahlten Äußeren steht bei dem Nachwuchs-Schwaben das, was aus ihm herausquillt, wenn er sich an sein Klavier setzt.

Ohne Frage ist Hauer ein hoffnungsloser Romantiker. Aber dafür ein hoffnungsvoller Musiker. Einer, der erstaunlich gut weiß, wie er sein Wehklagen in Worte und Töne fassen muss. Mit der Aussage "Ich wär' so gern zu zweit / Weil mein Herz nach Liebe schreit" fasst der Protagonist gut zusammen, worum sich die Texte auf seinem Debütalbum "Losgelassen" hauptsächlich drehen. Als Mann wird man nun mal oft vom anderen Geschlecht enttäuscht. Doch anstatt sich deswegen in einer Stuttgarter Eckkneipe ins Koma zu saufen, fasst Hauer seinen Schmerz lieber in Zeilen, die oftmals mitten ins Mark treffen. "Ja, ich weiß / Die Zeit heilt alle Wunden / Doch was bringt mir der Scheiß / In diesen schweren Stunden?" Für Refrains wie diesen verzeiht man dem Jungen auch, dass er bisweilen in pathos- und kitschgetränktes Fahrwasser gerät. Musikalisch gibt es an "Losgelassen" ohnehin wenig zu meckern.

Hauers Debütalbum ist von einer musikalischen Reife, die manchen Berufskollegen so alt aussehen lässt, wie er ist. Nur mit Hilfe seines Klaviers und ab und an einer Backingband und Streicherklängen erzeugt Hauer eine reduzierte Klangwelt, in der sich seine Moll-lastigen Stücke pudelwohl fühlen. Dank seines feinen Gespürs für eingängige Melodien und Songstrukturen flutscht "Losgelassen" locker durch, versinkt allerdings nie im miefigen Sumpf der Radio-Beliebigkeit. Trotzdem könnten Stücke wie "Unwiderstehlich" oder das fast schon tanzbare "Kopf & Seele" dort ohne Probleme laufen und wären vermutlich sogar Hits.

Am besten ist Hauer aber ohnehin, wenn er im Midtempo verbleibt und seinen Songs Luft zum Atmen lässt. Das streichergetränkte Titellied etwa oder das schonungslos ehrliche "Verzeihen kostet Zeit" sind richtige Juwelen der Melancholie. Ohne Frage ist der junge Stuttgarter ein Riesentalent und stellt das auf "Losgelassen" auch oftmals unter Beweis. Wenn er in Zukunft pathetische Versuche einer Sozialkritik wie auf "Nein" oder "Ehrlich glücklich" unterlässt und sich lieber auf seine Stärken konzentriert, steht einer großen Karriere nichts mehr im Weg. Und das mit der Liebe und dem Bartwuchs kriegen wir auch noch hin.

(Mark Read)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Losgelassen
  • Verzeihen kostet Zeit
  • Unwiderstehlich

Tracklist

  1. Losgelassen
  2. Verführen
  3. Verzeihen kostet Zeit
  4. Kopf & Seele
  5. Unwiderstehlich
  6. Mädchen aus Berlin
  7. Auf Abstand
  8. Zum Abschied
  9. Was reicht
  10. Nein
  11. Schläfst du schon
  12. Immer weiter
  13. Ehrlich glücklich
  14. Wie eine Fee
Gesamtspielzeit: 52:57 min

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