Fleet Foxes - Helplessness blues
Bella Union / Cooperative / UniversalVÖ: 29.04.2011
Die Karawane zieht weiter
Wenn man von seinem ersten Album in England so viele Einheiten verkauft, dass es Doppel-Platin regnet, kann man sich in aller Ruhe ein paar Gedanken machen. Woher kommt der Mensch? Was war zuerst da - das Huhn oder das Ei? Robin Pecknold ließ in den letzten drei Jahren seinen Bart ein paar Inches länger wachsen, während er auf seiner Veranda in Seattle sinnierte und die Saiten seiner Gitarre spannte. Er wagte sich in existenzielle Tiefen und dachte über esoterische Weisheiten nach, um diese auf dem neuen Album seiner Band Fleet Foxes in einigermaßen klaren Gedanken herauszuflöten. Der Musik hat das nicht geschadet. Die ist weiterhin himmelschreiend schön.
Die Weichensteller dieser Musik hört man wie beim Debüt auch aus jeder Sekunde von "Helplessness blues" heraus. Crosby und Nash, Simon und Garfunkel, Young und The Band. Es ist eine angenehme Entschleunigung, eine Besinnung auf die Natur und eine meditative Verinnerlichung, die Fleet Foxes mit dem von ihnen eingeleiteten Folk-Revival heraufbeschworen haben. Hier türmen sich Harmonien auf, als ob die Beach Boys mit Jerry Garcia am Lagerfeuer sitzen würden. Gar gespenstisch geht es zu, wenn die Gitarre im Hall verschwindet und Pecknold traumwandlerisch die "Lorelai" besingt.
Wenn die ersten furchteinflößenden Akkorde von "The shrine / an argument" erklingen, läuft es eiskalt den Rücken herunter: So war das bei den Pilgrims, nachts, zwischen den Planwagen, verfranzt in den unbekannten Weiten der neuen Welt. Plötzlich brennt der Song lichterloh, explodiert förmlich. Dann bricht er wieder ab, gespenstische Stille, bis Pecknold zu einem Choral ansetzt und sich die Orgel zu Ton meldet. Dieser Song durchläuft in seinen acht Minuten beinahe die ganze Geschichte amerikanischer Folklore. Befürchtet man zunächst noch, dass sich die Band grandios verzettelt, bekommt sie im genau richtigen Moment die Kurve.
"Helplessness blues" ist verspielt und geht geradezu inflationär mit Harmonien und Melodie-Figuren um. Gringo-Rock, Mariachi und Text-Mex-Gitarren gibt's obendrauf. Pecknolds Stimme ist so cremig und flauschig, dass sie sich wie ein weicher Teppich über die gewaltigen Songs legt. Das haben auch My Morning Jacket am Anfang ihrer Karriere nicht besser gemacht. Das flotte "Bedouin dress" arbeitet sich an seiner überschwänglichen Psychedelic-Fantasie ab, die durch die flirrende Kulisse des meditativen "Sim sala bim" vertieft wird. Fleet Foxes weiten auf ihrem zweiten Langspieler ihre heraufbeschworene Welt meisterhaft aus. Amerikanischer sind derzeit nicht einmal mehr Kings Of Leon. Und dazu braucht es mehr als einen beachtlichen Bartwuchs.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Montezuma
- Bedouin dress
- Lorelai
- The shrine / an argument
Tracklist
- Montezuma
- Bedouin dress
- Sim sala bim
- Battery Kinzie
- The plains / bitter dancer
- Helplessness blues
- The cascades
- Lorelai
- Someone you'd admire
- The shrine / an argument
- Blue spotted tail
- Grown ocean
Referenzen
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