Asaf Avidan & The Mojos - Poor boy / Lucky man

Telmovar / Columbia / Sony
VÖ: 15.04.2011
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Schon mal gehört

Ein Déjà-vu ist gemeinhin eine Täuschung unserer Erinnerung. Wir meinen, etwas schon einmal gesehen oder erlebt zu haben, obwohl wir noch nie an diesem Ort oder in jener Situation gewesen sind. Manchmal täuschen wir uns echt, manchmal liegt es an einer frappierenden Ähnlichkeit eines Raumes, einer Straße, einer Person mit etwas, das uns bekannt ist. Wir kommen nur nicht gleich drauf. In den - glücklicherweise - allerwenigsten Fällen grüßt uns das Murmeltier Tag für Tag. Und manchmal schlägt uns der Zaunpfahl direkt ins Gesicht: "Du siehst ja aus wie Daniel Brühl!"

Bei Asaf Avidan ist die Ähnlichkeit nicht optischer, sondern akustischer Natur. So wird dem Israeli nachgesagt, seine Stimme klinge, als ob Janis Joplin wieder unter den Lebenden wandelt. Ein Segen und ein Fluch, denn Avidan auf seine markante Stimme zu reduzieren, wird ihm nicht gerecht. Der Mann ist gleichermaßen ein begnadeter Songwriter und Geschichtenerzähler. Auf "Poor boy / Lucky man" versammelt sich ein Kuriositätenkabinett seltsamer Gestalten, die Songs gleichen einer Odyssee durch die Folkmusik. Da gibt es Menschen, die aus Ziegeln gebaut sind, Jungen mit Löchern in der Brust und Mädchen, denen die Vögel zu Füßen liegen - allesamt romantische Metaphern für die Gefühlswelt des Menschen.

Musikalisch beginnt "Poor boy / Lucky man" so unscheinbar, zerbrechlich und leise, dass man die ersten Schritte und Zeilen der Reise glatt verpassen kann: "They said his mama had cement for milk / And that his papa built him brick by brick." Dieser "Brickman" steigert sich dann von einer melancholischen Ballade zu marschierender Zirkusmusik mit Trompete, Tuba und Posaune, und plötzlich steckt man mittendrin, hört Avidan vor behutsamer Cello-Kulisse zu, begleitet ihn durch klagenden Blues und über jazzige Klavierlandschaften.

Und dann gerät "The ghost of a thousand lies" plötzlich in einen unerwartet heftigen Sturm. Man hat es sich gerade gemütlich gemacht in den folkig-fragilen Songs, da legt die Band den Rallye-Gang ein und rock’n’rollt sich mit schwungvollem Klavier, verzerrten Gitarren und polterndem Beat über Stock und Stein. Avidan quietscht und schreit sich die Seele aus dem Leib, und die kommenden Songs klingen wie ausgewechselt. "Wasting time" und "Jet plane" erinnern an Creedence Clearwater Revival, "Little stallion" spielt gar den Punkrocker. Auch wenn die Songs im Anschluss wieder ruhiger und Avidan sich langsam dem Ausgangspunkt seiner Reise nähert, das Kratzbürstige bleibt im letzten Drittel von "Poor boy / Lucky man" präsent wie eine hartnäckige Erinnerung. Man glaubt, das alles schon mal gehört zu haben. Es muss eine gute Zeit gewesen sein.

(Maik Maerten)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Poor boy / Lucky man
  • Jet plane
  • Losing hand

Tracklist

  1. Brickman
  2. Poor boy / Lucky man
  3. Get it right
  4. My favourite clown
  5. Small change girl
  6. The ghost of a thousand little lies
  7. Wasting my time
  8. Jet plane
  9. Little stallion
  10. Your anchor
  11. Losing hand
  12. Painting on the past
  13. Out in the cold
  14. My latest sin
Gesamtspielzeit: 61:31 min

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