Danielle De Picciotto & Alexander Hacke - Hitman's heel

Potomak / Indigo
VÖ: 18.02.2011
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
5/10

Rauchende Colts

Danielle De Picciotto und Alexander Hacke stellen gern viel auf die Beine. Oder auf den Kopf. Sie als Mitbegründerin der inzwischen eingestampften Love Parade, omnipräsente Multimediakünstlerin und Regisseurin im Auftrag des Auswärtigen Amtes, er als treues Gründungsmitglied und Bassist der Einstürzenden Neubauten sowie als Filmkomponist und Schauspieler. Und steckt das seit 2006 verheiratete Paar die Köpfe zusammen, machen sie es nicht unter Bühneninszenierungen von Sebastian Brants "Narrenschiff" oder gruseligen Lovecraft-Geschichten. Ein leiser Hauch von Horror umweht auch "Hitman's heel" - und das nicht nur, weil das Duo auf dem Cover überdimensionierte Fummel und eine antike Knarre präsentiert.

Denn auch sonst wollen die zwei das ganz große Theater. Inklusive Mörderballaden, staubige Westerngeschichten und taumelnde Freakshow-Walzer vom Kuriositätenjahrmarkt, alles geölt mit jeder Menge Brecht/Weill'scher Vaudeville-Schmiere. Man könnte auch sagen: die gesetzlose Marlboro-Mann/Frau-Version der Dresden Dolls. Zu Anfang lädt Hacke im fantastischen "The circuit" zu De Picciottos schunkelnder Kirmesorgel als großmäuliger Impresario ein, Damen ohne Unterleib, einäugige Schlangenmenschen und bucklige Gnome zu bestaunen - betont aber gleichzeitig, dass es kein Zurück gibt. Doch das kümmert nicht mehr, wenn der ganze bizarre Zirkus erst auf Hochtouren läuft.

Hacke baut die Songs mit Westerngitarre im Anschlag zu schroffem Swamp-Rock und Twang-Blues aus, De Picciotto durchbricht die schwitzenden maskulinen Traktate immer wieder mit nebligen Motiven aus Autoharp, Farfisa und stimmlicher Lieblichkeit. Entweder in der Rolle der Maus, die von ihrem Schlupfloch in der Standuhr aus das groteske Treiben mit großen Augen verfolgt, oder als kleiner Fisch, der in seinem Teich vom Ozean träumt. Währenddessen näselt, grantelt und knödelt sich Hacke durch die Weltuntergangsphantasie "War", feiert in "Time is passing" immerwährende Männerfreundschaft und schmachtet bei "Flowers" so bühnenreif, als käme er geradeweg aus den Goldenen Zwanzigern. Doch sein Gesetz bleibt das der Prärie, wo er vermutlich schneller schießt als sein Schatten.

Etwa im unablässig schiebenden, stiefelweise Wüstensand mit sich schleppenden Titelsong oder beim zivilen Ungehorsam von "Rise and converge". Eine bis ins letzte Detail sitzende Selbstinszenierung, die nicht nur den beiden ausgewiesenen Theaterkünstlern, sondern auch dem Hörer diebisches Vergnügen bereiten sollte. Auch wenn die Waffen einmal schweigen: Die meisterhaften Arrangements der beiden Instrumentals hätten auch Nick Cave und Warren Ellis nicht besser hinbekommen, wenn sie nicht nur immer auf die Soundtracks zu den ganz niederschmetternden Filmen abonniert wären. "Hitman's heel" dagegen ist ein ganz und gar erhebendes, wunderbares Album - das Hacke tunlichst in der Tasche haben sollte, wenn er eines Tages mit noch rauchendem Colt vor seinen Schöpfer tritt. Der Allmächtige wird ihn schon durchwinken. Verdientermaßen.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • The circuit
  • The hitman's heel
  • Flowers
  • Rise and converge

Tracklist

  1. The circuit
  2. Hickory dickory dock
  3. Time is passing
  4. War
  5. Bikers lullaby
  6. Ballad of the lonely fish
  7. The hitman's heel
  8. Flowers
  9. On the road
  10. Rise and converge
  11. Even further
  12. Nauseous waltz
Gesamtspielzeit: 68:16 min