
Matt And Kim - Sidewalks
Fader / Different / PIAS / Rough TradeVÖ: 25.03.2011
Die kleinen Dinge
Es war schon irgendwie eine maßlose Übertreibung, dass Matt And Kim ihr letztes Album ausgerechnet "Grand" nannten - wobei die Single "Daylight" sich immerhin eine halbe Million mal verkaufte. Denn das Duo aus Brooklyn hat es gerne etwas kleiner. Matt spielt die Klimper-Keyboards und singt, Kim tobt sich an ihrem aufs Nötigste reduzierten Drumkit aus - und wenn beide in den Supermarkt gehen, schiebt sie wahrscheinlich den Einkaufswagen, und er sitzt oben drin. Oder wie es jemand einmal ausdrückte: Matt And Kim sind musikgewordene Smilies. Und auch der Hörer grinst sich eins. Denn selten klang Electro-Pop mehr aus einem Do-it-yourself-Baukasten zusammengeschraubt und mit Lachgas versetzt als auf "Sidewalks".
Sicher wäre es ein Leichtes, die von holprigen Beats, aufgekratzt zwitschernden und wuselnden Synthies und keck hervorlugendem Gesang bestimmten Songs mit Studiohall und Produktionsaufwand zu einer hymnischen Größe aufzublasen, mit der es Bands wie MGMT, Empire Of The Sun oder Passion Pit zumindest zeitweilig in die Formatradios geschafft haben. Und sollten Matt And Kim eines Tages auch einmal dort landen, kommen sie aus dem Staunen sicher gar nicht mehr heraus: Sie wollten doch nur spielen. Auch wenn das ab und zu nicht hundertprozentig hinhaut: "We sing along / But the notes are wrong." Maßlose Untertreibung gehört bei den beiden ab und zu eben auch zum guten Ton.
Zwar kommt hier das meiste aus gewitzten, wahrscheinlich von bunter Auslegeware umflauschten Maschinen - doch auch die lassen wenigstens gelegentlich durchblicken, dass sie auch größere Sounds produzieren könnten. Wenn man ihnen das bloß einmal erlauben würde. Die von hyperaktivem Klingeln transportierte Single "Cameras" deutet zu Beginn ganz kurz hochfahrende synthetische Bläser an, zieht es dann aber vor, mit reduzierter Melodieseligkeit statt verstiegenem Popanz zu verzaubern. Auch die kehlige Lautmalerei von "AM/FM sound" oder "Red paint" und sein rasanter Refrain münden nicht in ausladenden Breitwand-Pop, sondern in liebenswerte Songminiaturen. Fässer sollen andere aufmachen - Matt And Kim reichen kleine Döschen.
Dass "Sidewalks" dabei trotzdem hauptsächlich Hits abwirft, ist nur scheinbar ein Widerspruch. Die zwei haben einfach viel zu viel Spaß mit ihren Liedern, als dass sie es übers Herz brächten, diese mit fehlgeleitetem Pomp mutwillig zu entstellen. Sie bevorzugen kleine Dinge wie die mit spitzen Fingern gespielte Synthie-Linie des köstlichen "Good for great", hier ein hüpfendes Pianola und da eine Streicherfläche von der Größe einer Briefmarke. Auch dass sich "Daylight" auf der deutschen Ausgabe als Bonus noch einmal ans Ende quetscht, ist ein netter Zug - den dieses wunderbare Album aber gar nicht nötig hat. Denn nicht nur musikalisch ist Matt And Kim jeglicher Firlefanz ein Greuel: "No time for cameras / We'll use our eyes instead." Und die Ohren gehen einem hier ohnehin über.
Highlights & Tracklist
Highlights
- AM/FM sound
- Cameras
- Red paint
- Good for great
Tracklist
- Block after block
- AM/FM sound
- Cameras
- Red paint
- Where you're coming from
- Good for great
- Northeast
- Wires
- Silver tiles
- Ice melts
- Daylight (Bonus track)
Referenzen
Spotify
Threads im Forum
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