Paul Simon - So beautiful or so what
Concord / UniversalVÖ: 08.04.2011
Der kleine Große
Sein Bestes seit "Graceland", hat Paul Simon angekündigt. Das stimmt natürlich nicht. Denn "So beautiful or so what" beweist zwar Simons große Songwriter-Klasse und unterstreicht seine Freude am Verweben von Musikstilen jenseits historischer und geografischer Traditionen, doch ist der beinahe Siebzigjährige weit davon entfernt, noch einmal so visionär und bedingungslos zu sein, wie er das am Ende der 80er war. Aus dieser Selbstüberschätzung erwächst dann allerdings die eigentliche Größe von "So beautiful or so what": Es ist wunderschöne, zeitlose Weltmusik eines großen, milden Popmusikers.
Die Botschaft in "Getting ready for Christmas Day", der stampfenden Eröffnung mit trickreichem Mundharmonika-Sample, kommt vom Gospelsänger und Baptistenprediger Reverend J.M. Gates, der 1941 über die Chance und die Schönheit der Liebe sprach. Es wird der Leitfaden dieses Albums bleiben. Simon packt diese verstaubte Aufnahme zwischen eine sanfte Hookline und baut daraus einen vielschichtigen Staccato-Blues. Schon zeichnet sich ab, dass Paul Simon auch diesmal nicht in die Falle tappen wird, in die der alternde Billy Joel getappt ist. Hier ist alles weit entfernt von Kitsch und Seichtheit.
Alle diese kleinen, verwinkelten Songs strahlen eine Aura der Sicherheit, der Abgeklärtheit aus, wie sie nur Paul Simon in seiner Stimme trägt. Der verquere Beat und die Steel-Drums von "The Aftermath" klingen fluffig und sommerlich. Das zarte Liebeslied "Dazzling Blue" verbindet Tremolo-Gitarren, Tanpura und Tabla-Beats, wie sie die Beatles bei "Within you without you" in die Popmusik eingeschmuggelt haben. Paul Simon bastelt daraus einen kleinen, feinen Song, der seine Dimensionen und verschiedenen Ebenen erst nach und nach offenbart.
Das körperlose, wundersame Schlaflied "Questions of the angels" erinnert gar an alte Simon-&-Garfunkel-Songs und ist trotz seiner Klarheit und Reduziertheit der Höhepunkt von "So beautiful or so what": Das ist intim, gespenstisch, ergreifend. Der Gospel "Love and blessings" wildert bei Folk und Jazz und führt das Album zu seinem wundersamen Abschluss, den Titeltrack "So beautiful or what". Ein energischer Blues, mit unausweichlicher Hookline und grandioser Gitarre. Es ist ein würdiger Abgang für diese Platte, die überraschungsreich und kurzweilig ist. Diese Platte ist gut. Aber nicht seine beste.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Dazzling blue
- Questions of the angels
- Love and blessings
- So beautiful or so what
Tracklist
- Getting ready for Christmas Day
- The afterlife
- Dazzling blue
- Rewriter
- Love and hard times
- Love is eternal sacred light
- Amulet
- Questions of the angels
- Love and blessings
- So beautiful or so what
Referenzen
Spotify
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