King Creosote & Jon Hopkins - Diamond mine

Domino / GoodToGo
VÖ: 25.03.2011
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Im Bilde

Die Vorgehensweise von Kenny Anderson alias King Creosote grenzt an Sadismus. In aller Ruhe befestigt er die Hundeleine am Hörerhals, führt ihn aus zu neuen Songs, gönnt ihm Appetithäppchen, zieht die Leine aber vor dem großen Filet wieder zurück. Schmachtend erwartet man Nachschub für "Flick the vs", und auf die Ankündigung eines neuen Werks folgt Ernüchterung. Eine halbe Stunde Musik?! Sieben Songs?! Das ist doch keine gestandene LP! Das ist ein starkes Stück! Das ist dreist! Das ist zu wenig! Das ist der blanke Hohn! Das ist ... alles völlig egal, weil jede Sekunde auf "Diamond mine" für augenscheinliche Hörer-Vernachlässigung entschädigt und jedes böse vorgeschickte Wort entwertet.

Es einfach durchhzuhören ist die falsche Annäherung an dieses Album, es geht vielmehr um intensives Zuhören. "First watch" ist mehr als nur ein Instrumental-Opener. Zu hören sind Bestellungen in einer Bar, Gäste-Gemurmel, Unterhaltungen, Kaffee, der aufgeschäumt wird, Besteck, das klappert, Teller, die abgestellt werden und dazu einzelne Piano-Töne, die als stille Beobachter der Szenerie fungieren. Im weiteren Verlauf des Albums ergänzen fliegende und kreischende Möwen, Vogel-Gezwitscher, arbeitende Maschinen oder auch Motoren das Klangbild von "Diamond mine". Was skurril anmutet, ergibt im Album-Kontext durchaus Sinn. Intention ist es, dem zwangsromantisierten Bild eines schottischen Küstendorfs gegenüber zu stehen, und doch kreist die subjektive Wahrnehmung um Orte, wo Heimat mehr ist als ein Substantiv.

In einem sterilen Umfeld könnten die Songs nicht überleben, zur Entfaltung braucht es diese Zwischentöne. Und natürlich Creosotes langgezogene, gedrosselte und stets warme Silben: "You and I we once looked fine / Until you split your lip against my face." Was also macht Jon Hopkins? Der Elektronikmusiker als deplatzierte Randnotiz? Mitnichten. Kaum wahrnehmbare Elektroniksprengsel, brummende Sequenzen, Vokalisierungen, die wie Synthies klingen (oder umgekehrt) sind genauso auf ihn zurückzuführen, wie die stimmungsvollen Klangcollagen, die gönnerisch im Folk-Schatten von Banjo, Akkordeon und der Akustikgitarre stehen. Lerne die Sieben lieben, schätze die halbe Stunde, King schimpft sich Creosote nicht umsonst.

(Stephan Müller)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • First watch
  • Running on fumes
  • Bubble

Tracklist

  1. First watch
  2. John Taylor's month away
  3. Bats in the attic
  4. Running on fumes
  5. Bubble
  6. Your own spell
  7. Your young voice
Gesamtspielzeit: 32:08 min

Im Forum kommentieren

smrr

2023-11-12 19:31:33

Neues Album seit ner Woche draußen, ist auch mal wieder überzeugend geworden. Der Mann trifft aber eigentlich immer einen Nerv bei mir, die Stimme ist einfach super. Schon krass eigentlich, dass der seit Jahren unter dem Radar fliegt.

Schön aber, dass Domino Records ihn weiterhin seine Alben rausbringen lässt.

novemberfliehen

2020-11-08 18:39:09

Ein ziemlicher Geheimtipp, über den ich hier vor langer Zeit gestolpert bin. Jahrhundertalbum ist übertrieben, aber ich verstehe, warum man solch eine Behauptung aufstellen kann. Toller Minimalismus auf einem überragenden Album. Als Anspieltipps nenne ich mal Running On Fumes oder John Taylor's Month Away.

Hospice von den Antlers mag ich zwar ein klein wenig mehr, aber das ist auch für mich persönlich ein Jahrhundertalbum.

Gomes21

2018-04-26 13:20:13

Nie gehört, dabei mag ich King Creosote sehr gerne. ab auf die Liste.

KingOfCarrotFlowers

2018-04-26 11:09:25

eben erst entdeckt, da ich mich auf Jon Hopkins Auftritt am Maifeld- Derby einstimmen will. Grandios. Entführt mich in die Welt in der ich bei The Antlers -hospice- zuletzt gewesen bin.

2+2=5

2015-12-24 17:40:38

Immer noch eines der besten Alben der letzten Jahre aus diesem Genre. Wird bei mir immer gegen Jahresende ausgepackt - natürlich umso mehr, seit ich letztes Jahr zu der Zeit in Aberdeen war.
Wie sich diese fragilen Lieder und Field Recordings gegenseitig durchwehen und übereinander schichten, ist schon sehr fein gemacht. Und weist weit über den Standard-Songwriterkram hinaus, der überall so rumgeistert.

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Threads im Forum