The Kills - Blood pressures
Domino / GoodToGoVÖ: 01.04.2011
An die Gurgel
Wenn eine exzentrische Frau und ein ebensolcher Mann aufeinandertreffen, ist nichts und niemand sicher. Erst recht nicht sie selbst. Er schüttet ihr Spülmittel in den Plätzchenteig, sie schmiert Zahnpasta unter die Klinke zur Studiotür. Und wenn beide das gleichzeitig spitzkriegen, fliegen die Fäuste. Wie bei The Kills im Videoclip zur Single "Last day of magic". Die Spekulationen, ob bei Alison Mosshart und Jamie Hince vielleicht auch mehr geht als solche Sperenzchen, fanden mit Bekanntgabe der Hochzeit von Hince und Kate Moss ein jähes Ende. Dass die beiden sich trotzdem nach wie vor prächtig verstehen, liegt auf der Hand. Und der Beweis im CD-Spieler.
Der Nachfolger des tumultösen "Midnight boom" findet nämlich ungeachtet zwischenmenschlicher Beziehungen vor allem einen jähen Anfang, statt sich hinterhältig anzuschleichen. Und laut genug aufgedreht vermag "Future starts slow" nicht nur den Blutdruck, sondern gleich den ganzen Zappelbunker in die Höhe zu jagen. Mit wuchtigem, aus allen Ecken krachendem Wumms, einer Leadgitarre, die sich präzise zwischen den Strophen hindurchschabt, und einer Mosshart, die an ihren eindeutigen Absichten keinen Zweifel lässt: "You can holler, you can wail / You can blow what's left of my right mind." Und natürlich: "You can fuck me like a broken sail." Wer hier in See sticht, muss mit den Konsequenzen leben. Und damit, dass es erst einmal nicht leiser wird.
Auch nicht beim Vorabtrack "Satellite", der zu einem grob scheppernden Reggae-Muster über Funklöcher grantelt und die subtile Gewalt des Duos in einen rauen Jutesack mit geschundenem Groove stopft. Bei "Heart is a beating drum" lassen die Kanonenschläge aus der Basstrommel die Pumpe mehrmals aussetzen, schlagen sich mit einem hyperventilierenden Tischtennisball herum und bekommen gegen Ende genauso Starkstromschläge aus Fuzz verpasst wie das von einem gnadenlos stoischen Riff gehetzte "Nail in my coffin". Wäre Musik eine Persönlichkeitsstörung, gäbe "Blood pressures" ein Paradebeispiel für passiv-aggressives Verhalten im Studio ab. Am Ende gehen sich die Instrumente wie von selbst an die Gurgel. Und irgendwann brauchen alle eine Pause.
Etwa bei Hinces schläfriger Akustikskizze "Wild charm" oder der Pianoballaden-Premiere "The last goodbye", wo sich die Einflüsse des weniger maschinellen Blues von The Dead Weather zeigen. Doch auch wenn das Album in der Mitte etwas an Schärfe verliert, wird "Blood pressures" noch einmal wunschgemäß fürchterlich: "Damned if she do" kriecht auf allen Vieren an den zerlegten Riffs von "Seven nation army" und The Jesus And Mary Chains "Crackin' up" vorbei, "You don't own the road" zeigt allen Kurvenkillern wütend den komischen Vogel, abschließend fliegen Töpfe und Pfannen. Und schließlich haben sich die beiden doch wieder lieb. Bis auf weiteres zumindest.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Future starts slow
- Satellite
- Nail in my coffin
- You don't own the road
Tracklist
- Future starts slow
- Satellite
- Heart is a beating drum
- Nail in my coffin
- Wild charm
- DNA
- Baby says
- The last goodbye
- Damned if she do
- You don't own the road
- Pots and pans
Referenzen
Spotify
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