
Ayo. - Billie-Eve
Polydor / UniversalVÖ: 18.03.2011
Leben und Jod
Beckensport ist Mord. Zumindest künstlerischer. Ab ins kühle Nass für ein paar nette Fotos, das wird bei Modelmutti Heidi nur noch mit einem Lächeln quittiert. Auch Ayo. stürzte sich in die Fluten, um sich für ihre dritte Platte "Billie-Eve" mit Mikro und Gitarre ablichten zu lassen. Aber stumpfe Oberflächlichkeiten liegen ihr genauso fern wie verkrampfte Intellektualität. Ayo. ist anders. Ehrlicher. Direkter. Besser. Gefühl und Botschaft verknüpfen sich zu leichten Melodien. Soul strömt durch Reggae-Rhythmen und behände Bassläufe. Wieder und wieder schlagen Stimmungen um, doch der Vibe bliebt auf "Billie-Eve" stets der gleiche. Tasten legen sich sanft in die Klaviatur von "How many people?", bevor sie sich sachte dem Groove unterordnen. Ayo.s bittere Verzweiflung wandelt sich dann im Refrain zu einem sich entladenden Gewitter, das mit seinem Mantra auf einmal den Piranha in der Badewanne setzt. Die einfachsten Wahrheiten schmerzen eben mehr als ein aufgeschlagenes Knie. Und Ayo. schmiert einem das Jod gleich sieben Minuten lang tubenweise auf die Wunde.
Doch mit jedem Moment setzt die Heilung ein wenig mehr ein. Dem verklärten Zynismus dieser Welt hat Ayo. nichts entgegenzusetzen, denn ihre Botschaft lässt sich nicht mit dem Verstand erschließen. "Who are they?" lässt eine Gitarre vor sich hinschippern, während irgendwo im Dunst als entfernte Insel ein Cello auftaucht. "Real love" schlawinert um seinen Bass und die angeleinten Saiten, die sich der Harmonie unterordnen. Diese Momente der Schönheit gehen direkt ineinander mit den bitteren Sekunden, in denen die Zweifel nagen. Doch das gehört zusammen. "I can't" verletzt sich an seinen eigenen Worten selbst, während sich der Rhythmus mutig nach vorne schmeißt. In diesem Kontrast wird die Sprache gebrochen von der Musik, die sich der Selbstaufgabe nicht anschließen mag. Auch "Julia" ist den unbeschreiblichen Ängsten nah, doch es gibt keinen Absturz.
Dass "Billie-Eve" eine Gratwanderung werden würde, war ja eigentlich schon ab dem wirbelnden "I'm gonna dance" klar, das nur so nach Leben dürstet. Erst Saul Williams macht sich dann in "Believe" dran, die Worte zu zerlegen und ins Abstrakte zu führen. Ayo. selbst spielt da nur noch die erste Gitarre und steuert ein paar Backing Vocals bei. Und doch setzt dieser letzte Kraftakt vor den Bonus Tracks noch einmal den passenden Punkt unter Ayo.s Namen. Der lässt diesen nämlich erst Freude bedeuten. Ohne den Punkt wäre Ayo. nur ein Spiel, ein belangloses Verschieben von Tönen und Rhythmen, das hinter sich nichts zu offenbaren hat. Doch Ayo. hat eine Stimme, eine Botschaft und eine Idee. Lösungen will sie nicht bieten und braucht sie nicht. Es reicht dieses tiefe Gefühl der Verbundenheit, das sich alles und jedem entzieht und keine Regeln befolgen will. Der Sprung vom Beckenrand ist Ayo. nämlich der liebste.
Highlights & Tracklist
Highlights
- How many people?
- Julia
- Believe (feat. Saul Williams)
Tracklist
- How many people?
- I'm gonna dance
- Black spoon
- I can't
- Flowers
- Real love
- Julia
- My man
- It's too late
- Who are they?
- We've got to
- Before (After)
- It hurts (feat. Matthieu Chedid)
- Believe (feat. Saul Williams)
- I want you back
- I know a place
Referenzen