The Strokes - Angles

RCA / Sony
VÖ: 18.03.2011
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Gegen jeden Trend

Fünf Jahre sind in der schnelllebigen "Zweiten Moderne" eine halbe Ewigkeit. Trends kommen und gehen, die 15 Minuten Ruhm, die Andy Warhol einst jedem Menschen einräumte, sind längst auf wenige Augenblicke zusammengeschrumpft. Um so erstaunlicher, dass sich eine hochdekorierte Band wie The Strokes, die selbst Mitbegründer eines global gefeierten Trends war, fünf Jahre Auszeit gönnte. Vergessen hat man sie indes nicht: Zu wichtig war und ist "Is this it", und auch ihr Zweitwerk "Room on fire" gilt, jeglicher Unterschätzung zum Trotz, als hervorragender Nachfolger. Dass sie mit dem etwas fahrigen "First impressions of Earth" leicht aus der Spur gerieten, haben sie schlussendlich selbst gemerkt. Die fünf New Yorker konzentrierten sich in der Folgezeit auf eigene Projekte, die mal mehr, mal weniger bedeutsam waren. Ihre neue, vierte LP "Angles" deutet nun auch im Titel an, dass alle Beteiligten viel erlebt haben und sich nun aus unterschiedlichen Blickwinkel dem Mutterschiff nähern.

Die Frage ist nun, was man von The Strokes erwarten kann. Die großen Innovatoren waren sie nie, vielmehr konservierten sie den Spirit der späten Sechziger und frühen Siebziger, peppelten den ollen Onkel Garagenrock auf und verliehen ihm damit ein frisches Antlitz. "Angles" ist nicht "The king of limbs". Hier wird nichts analysierend dividiert und konfiguriert, in diesem Kosmos existieren keine Post-Dubstep-Momente, und apokalyptisches Korallenriff-Blubbern wird man bei The Strokes auch nach einem halben Jahrzehnt Kreativpause nicht finden. Und natürlich ist die Wucht weg, mit der "Is this it" vor nunmehr zehn Jahren aufprallte und die Musikwelt umkrempelte. Doch niemals kann man von einem vierten Album die Impulsivität eines Debüts verlangen. Wer diese Erwartungen hegt, ist hier an falscher Stelle.

Einige zeigten sich ob der Vorab-Single "Under cover of darkness" enttäuscht, dabei reiht sich das smarte Stück nahtlos in die lange Liste toller Singles ein: Ein cleveres Riff nölt sich auf charmante Weise durch den Song, Julian Casablancas' Singstimme haftet immer noch diese Gelangweiltheit an, die bereits "Last nite" oder "12:51" als lakonisch-lässige Rocksongs auswies. Der Eröffnungstrack "Machu Picchu" stottert langsam mit seinen Guitar-Hero-Gitarren los, bevor nach 60 Sekunden der erste Refrain ein so cooles Lächeln aufsetzt wie James Dean in "East of Eden". Mit dem fantastischen "Two kinds of happiness" nehmen The Strokes die Abbiegung in Richtung 80s-Highway, ziehen das Tempo an und fackeln mit kühler Eleganz alle Bedenken und Zweifel nieder. Diese Band klingt hungriger, bissiger und fokussierter als auf dem direkten Vorgänger, ohne sich jedoch Scheuklappen zu verpassen.

Mit dem dunklen Waverocker "You're so right" - welcher aus der Feder von Nikolai Fraiture stammt - erweitern The Strokes ihr Spektrum, klingen unheimlich dicht und untastbar, elektronische Momente verzieren das Stück mit kleinen Schrammen und Beulen. Die zweite Albumhälfte ist weitaus weniger variabel, die Strokes-typischen Nummern sind hier deutlich in der Überzahl: "Games" ist eine potenzielle Hit-Single, wobei sie mit dem relaxten Beat in den Strophen kaum tanzbar erscheint. "Gratisfaction" wäre in seiner Klangästhetik auch ein Highlight auf "Room on fire" gewesen. Der Einfluss der Seiten-, Neben- und Soloprojekte wurde dabei stets niedrig gehalten: Der dröge Folkrock eines Nickel Eye hat ebensowenig auf "Angles" abgefärbt, wie das spinnerte Hippietum von Little Joy oder die netten Pop-Märchen der beiden Hammond-Jr.-Platten.

The Strokes bleiben The Strokes, wie sie singen und lachen. Oder besser gesagt: Wie sie nölen und gniedeln. Nicht jedes der zehn neuen Stücke kann restlos überzeugen, nichtsdestotrotz darf man "Angles" getrost als ihre drittbeste Platte bezeichnen: Die fünf US-Amerikaner wissen nach wie vor, wie man arschcoole Rockposen, maßgeschneiderte Anzüge, Wuschelfrisuren und wunderbare Songs zu einem Gesamtkunstwerk drapiert. Jedem rasanten Trend zum Trotz - an dieser Stelle seien Chillwave, Witch House und Shitgaze gegrüßt - bleiben die New Yorker relevant. Wer mehr wollte, hat Rock'n'Roll noch nie verstanden.

(Kevin Holtmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Machu Picchu
  • Under cover of darkness
  • Two kinds of happiness
  • Games

Tracklist

  1. Machu Picchu
  2. Under cover of darkness
  3. Two kinds of happiness
  4. You're so right
  5. Taken for a fool
  6. Games
  7. Call me back
  8. Gratisfaction
  9. Metabolism
  10. Life is simple in the moonlight
Gesamtspielzeit: 34:27 min

Im Forum kommentieren

Garmadon

2020-02-14 17:41:33

Da das damals ihr erstes Album war, das raus kam, *nachdem* ich die Band kannte, habe ich mir viel Mühe gegeben, es zu mögen... Und auch viel gehört. Aber letztlich denke ich schon, dass es ihr schwächstes Album ist und außer Machu Picchu würde es wohl auch kein Song in meine Strokes Top Ten schaffen.

fuzzmyass

2020-02-13 00:15:36

Muss auch demnächst wieder die Diskograpbie anhören, schon Ewigkeiten her... der neue Song hat mich aber nicht so angemacht, Angles fand ich damals super

Zappyesque

2020-02-12 16:42:44

Für mich tatsächlich das beste Album der Strokes. Beinahe ausschließlich Ohrwürmer, aber nicht jene Sorte von der ich schnell die Nase (oder das Ohr) voll habe. Ein wenig harsch gemastered allerdings.

The MACHINA of God

2020-02-12 16:26:24

Der Closer ist auch ganz schick. Joah... würde gesamt wohl auch so 7/10 mit leichter Tendenz nach oben geben, dank so 4-5 echt starken Songs. Muss demnächst mal "Room On Fire" wieder hören um zu schauen, wie das im Vergleich ist.

The MACHINA of God

2020-02-12 16:19:53

"Metabolism" kann man auch dazuzählen.

Und ich wollte grad schreiben, dass ich bei dessen Refrain wegschmelze. Für mich ein klares Highlight.

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