Madrugada - The best of Madrugada
EMIVÖ: 25.02.2011
Blauer wird's nicht
Als hätten sie es geahnt: Ihren letzten Song "All this wanting to be free" spielten Madrugada aus Norwegen ohne Robert Burås ein, der wenig später tot in seiner Wohnung aufgefunden wurde. Und als der Gitarrist während der Aufnahme doch im Studio auftauchte und hauptsächlich rauchend an der Wand lehnte, beschlich Sänger Sivert Høyem und Bassist Frode Jacobsen womöglich bereits das dumpfe Gefühl, dass er nicht mehr lange Teil der Band sein würde. Unter welch schicksalshaften Umständen, konnten sie freilich noch nicht wissen. Dass ausgerechnet ein Burås-Song namens "Our time won't live that long" das finale Studioalbum beschloss, wirkt da noch viel tragischer. Er ruhe in Frieden. Gleiches gilt zumindest im übertragenen Sinne auch für Madrugada. Die letzte Tour ist vorbei, das letzte Lied gespielt, das letzte Kapitel geschrieben.
Und das dicke Ende, das gut zwei Jahre nach der Auflösung folgt, ist ein hocherfreuliches: eine umfassende, geschmackvoll ausgestattete Doppel-CD, deren schlichter Titel hundertprozentig zutrifft. Mit Bedacht zusammengestellt und offensichtlich ohne jegliche Zugeständnisse an die diversen je nach Kontinent variierenden Plattenfirmen und Veröffentlichungen. Die Essenz einer Band, die zehn Jahre lang einen unvergleichlichen Sound destillierte - und die Stimmung der blauen Dämmerungsstunde musikalisch nicht treffender hätte einfangen können. Mit Swamp-Düsternis von gespenstischer Dimension, Gothic-schwangerem Dunkelkammer-Blues, zornigen Post-Punk-Momenten und melancholischer Breitwand-Rockmusik. Zu Hause war das Trio in jeder dieser Spielarten.
Das zeigt sich allein daran, dass die Trackliste von "The best of Madrugada" keiner Chronologie folgt und trotzdem an Homogenität kaum zu überbieten ist. Okay: Noch besser als mit "The kids are on high street", jenem magischen Monolith aus glasklarem Blues-Rock, stimmlicher Brillanz und R.E.M. in Technicolor, kann man diese Compilation natürlich nicht eröffnen. Und danach kommt alles wie selbstverständlich zusammen: Das langsam anlaufende "Look away Lucifer" steht Seite an Seite mit der roh polternden Oasis-Verdunkelung "Belladonna" und "Blood shot adult commitment", einem grob verzerrten Kraut-Rocker. Die Hassliebe von "What's on your mind" beschwichtigt "Hold on to you" sogleich mit zwirbelnder Leadgitarre und Angelo-Badalamenti-Streichern. Und auch die wie unheilvolle Mantras kokelnden Groover "Hands up - I love you" und "Step into this room and dance for me" zeigen immer wieder die Zähne.
Man könnte es nun etwas zu naheliegend finden, dass CD 1 die vornehmlich härteren Songs versammelt und sich der zweite Tonträger auf die ruhigere, schwermütige Seite Madrugadas konzentriert. Dass das gemeinsam mit Ane Brun aufgenommene "Lift me" noch drauf musste, ohne sonderlich herauszustechen. Oder dass "All this wanting to be free" als bestmöglich aufpolierte Songskizze nicht gänzlich hält, was die vollmundige Ankündigung "new song" verspricht. Will man aber nicht. Nicht nach mehr als zwei Stunden, die sämtliche Stärken einer Band versammeln, die stets einzigartig blieb und sich letzten Endes lieber trennte, statt sich zu verbiegen. Auch das verdient Anerkennung. Obwohl Burås bei seiner letzten Studiovisite noch anerkennend kommentierte: "Nice tune." Doch so etwas vergleichsweise Lapidares über die Songs von "The best of Madrugada" zu sagen, wäre eine tolldreiste Untertreibung.
Highlights & Tracklist
Highlights
- The kids are on high street
- Look away Lucifer
- Blood shot adult commitment
- What's on your mind
- Hands up - I love you
- Step into this room and dance for me
Tracklist
- CD 1
- The kids are on high street
- 7 seconds
- Look away Lucifer
- Belladonna
- Blood shot adult commitment
- Higher (2010 digital remaster)
- Beautyproof (2010 digital remaster)
- Black mambo
- Salt (2010 digital remaster)
- Stories from the streets
- I don't fit
- Majesty (live)
- You better leave (live)
- All this wanting to be free
- CD 2
- What's on your mind
- Hold on to you
- Strange colour blue (2010 digital remaster)
- Vocal (2010 digital remaster)
- Hands up - I love you
- Majesty
- This old house
- Lift me
- Honey bee
- Electric (2010 digital remaster)
- Quite emotional
- Step into this room and dance for me
- A deadend mind
- Sail away
Referenzen
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