Bad Religion - The process of belief

Epitaph / Connected
VÖ: 21.01.2002
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Brettspiele

Wohhhh-ohhh-wow, ahhhh-haaa. Chorgesänge dieser Art zerren normalerweise an den Nerven des geschmacksicher herangereiften Musikkonsumenten und sind ein Grund, die Platten solcher Bands, die irgendwann die Pubertät beschallten, im hintersten Eck des Musikaufbewahrungsmöbels zur Ruhe zu betten. Dann wendet man sich anderer, im Zweifel anspruchsvoller empfundener Musik zu und nimmt von den alten Helden keine Notiz mehr. Ein paar wenige Bands aber schaffen es, ihre Hörer und Hörerinnen trotz dieser musikalischen und persönlichen Entwicklungen an sich zu binden. Sie werden gemeinsam mit ihren Fans älter und weiser und begleiten auf diese Weise einen Teil einer bestimmten Generation - soweit die Theorie.

Bei Bad Religion liegt der Fall ein klein wenig anders: Dem neuen Album "The process of belief" hört man das Älterwerden in keiner Sekunde an. Frischer, aggressiver, eben irgendwie jünger als seine Vorgänger, wirkt das neue Werk der Klerikalpunkrocker. Ein Grund für diesen frischen Wind ist sicher die Rückkehr von "Mr. Brett" Gurewitz, denn Graffin/Gurewitz als Songwriterangabe bürgt eben für Qualität. Greg Graffin sagt zwar, daß ihm erst beim gemeinsamen Schreiben der neuen Songs aufgefallen sei, wie mühselig dieses Geschäft bei den letzten Alben allein gewesen sei. Da waren ihm die Fans einen Schritt voraus: Die haben ihren Mr. Brett als Gegenpart zum intellektuellen Dr. Greg doch schmerzlich vermißt.

Jetzt ist also wieder alles im Lot. Auch die vakante Stelle des Schlagzeugers wurde mit Brooks Wackerman (Ex-Suicidal Tendencies, Ex-Vandals) überaus passend besetzt. Und so geht "The process of belief" atemberaubend schnell los. "Supersonic" hat alles, was ein perfekter Bad Religion Song braucht: galoppierende Drums, schnelle Riffs, diese unwiderstehlichen Ahhhahhhahhh-Chöre und keine zwei Minuten Länge. Wer am Anfang des Albums aber glaubt, daß die Geschwindigkeitsmeßlatte schon hier auf höchstem Niveau liegt, sieht sich bei "Can't stop it" getäuscht. Das Gaspedal wird noch einmal so heftig runtergetreten, daß eine Delle im Bodenblech zurückbleibt.

"Broken" beschert dem Zuhörer dann eine ganz unerwartete Ruhepause: Mit akustischem Geklampfe in der Strophe, die eher an Singer/Songwriter-Kram denn an Punkrock gemahnt, hatte man hier nicht gerechnet. Und da eine Überraschung immer nur beim ersten Mal eine solche ist, spart man sich das Runterschalten für den Rest des Albums. Der ein oder andere Song fängt zwar trügerisch ruhig an, aber es dauert nie besonders lange, bis ein Finger das Griffbrett einer hochverzerrten E-Gitarre hinaufrutscht und diesen Klang erzeugt, der unmißverständlich klar macht, das jetzt - sofort! - schnell losgeknüppelt werden muß.

Die Rückkehr des BrettsTM als Frischzellenkur für Bad Religion zu bezeichnen wäre sicher falsch. Zum einen ist Herr Gurewitz ja selbst nicht mehr der Allerjüngste, zum anderen ist der Begriff der Eigenblutbehandlung in vielerlei Hinsicht passender. Leistungssteigernd wirkt es allemal, und solches Doping ist in der Musik zum Glück ja nicht verboten. Die Tatsache, daß die Band wieder bei Epitaph veröffentlicht tut dem rauhen Sound gut und damit ihr Übriges. "Brett is in heaven doing this", sagt Gitarrist Brian Baker, "This is the only band that he's been in. This is the only band Greg Graffin has been in. It's like this is what they were put on fucking Earth to do." I guess he's fucking right, auch wenn mir nicht klar ist, welcher Gott Interesse an Bad Religion haben sollte.

(Rüdiger Hofmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Can't stop it
  • Broken
  • Epiphany
  • Bored and extremely dangerous

Tracklist

  1. Supersonic
  2. Prove it
  3. Can't stop it
  4. Broken
  5. Destined for nothing
  6. Materialist
  7. Kyoto now
  8. Sorrow
  9. Epiphany
  10. Evangeline
  11. The defense
  12. The lie
  13. You don't belong
  14. Bored and extremely dangerous
Gesamtspielzeit: 36:53 min

Im Forum kommentieren

fakeboy

2022-01-07 16:56:26

Wird demnächst 20 Jahre alt (am 22. Januar, um genau zu sein).

Hab die Platte damals ziemlich gefeiert. No Substance und The New America waren ja nicht gerade Sternstunden (wobei man mit den besten Songs von beiden Alben durchaus ein gutes Album zusammenstellen kann). Process of Belief war dann eine Art Befreiungsschlag. Brett Gurewitz war zurück, die Band wieder auf Epitaph und mit Brooks Wackerman war ein neuer Drummer dabei, der die Band frischer und kraftvoller klingen liess. Mit "Sorrow" findet sich darauf der wohl grösste Hit der zweiten Karrierehälfte der Band. Auch wenn er mir ein wenig verleidet ist muss man festhalten: sehr starker Song. Ansonsten mag ich besonders Supersonic, Destined For Nothing und The Lie. Epiphany started mit einem Bass-Intro, das eigentlich bei NOFX' Stickin' in my Eyes geklaut ist. The Defense ist eher ungewöhnlich aber gut. Bored and extremely dangerous wär ein toller Schlusssong, aber mich nervt die lange Pause in der Mitte...

Insgesamt neige ich zu einer 8/10.

tobi

2009-01-07 21:17:11

Procesess of Believe war nach zwei wirklich schlechten Platten (imho), ein wichtiger "neuanfang". Brett Gurewitz ist wieder zurück, man veröffentlicht wieder auf ihrem eigenen Epitaph Label.

Tolle Platte, wobei die nächsten beiden Platten (New Maps Of Hell, The Empire Strikes First) genauso gut sind (imho).

Third Eye Surfer

2009-01-06 19:01:45

Ich persönlich mag ja jedes BR Album (ja, auch die viel zu oft niedergetrampelten No Substance und The New America). Aber The Process Of Belief hat schon einige ihrer besten Lieder. Epiphany würd ich sogar glasklar als absolut bestes BR Lied bezeichnen.

Mark

2009-01-06 16:46:45

Hab sie mir mal wieder angehört, und ich kann nur immer wieder von neuem feststellen, was für ein geiles Album das geworden ist. Ich würde "The Process of Belief" in meiner persönlichen BR-Rangliste mittlerweile sogar auf Platz 1 ansiedeln ...

aquaman

2007-03-25 20:19:21

sorrow is ja mal sowas von KEIN ausfall!
aber ich denke auch insgesamt sehr gute scheibe!

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