Max Raabe - Küssen kann man nicht alleine
We Love Music / UniversalVÖ: 28.01.2011
Eigene Federn
Als Gott am Sechsten Tag den Menschen erschuf, hat er sicherlich gehofft, dass viele Vertreter dieser besonderen Spezies ehrbare Freiherren und Edelmänner werden. Denn schließlich sollte der Mensch Gottes Abbild werden und über andere Lebewesen herrschen. Wenn er heutzutage einen Blick auf die Erde wirft, so wird er wohl einsehen müssen, dass diese kaum noch von Edelmännern bewohnt wird und noch weniger von ehrbaren Freiherren. Dennoch: Zum Siebten Tag hat sich Gott bekanntlich frei genommen, um das folgende Treiben zu beobachten, und später, um den verbliebenen Edelmännern beim Musizieren zuzusehen und zuzuhören. Man muss schließlich einmal überprüfen, was die Geschöpfe auf Erden so auf das Parkett zaubern. Max Raabe mit "Küssen kann man nicht alleine" dürfte ihm bis auf den Titel gefallen.
Raabe greift hier, wie gewohnt, die Tradition der Musik der 1920er und 1930er Jahre auf. Klassisches Liedgut, das an die Arrangements des wohl bekanntesten deutschen Ensembles jener Zeit, der Comedian Harmonists, hörbar anknüpft. Doch "Küssen kann man nicht alleine" ist eine Premiere, da es das allererste Album Raabes ist, das vollständig aus eigener Feder stammt, besser gesagt, fast vollständig aus eigener Feder stammt. Die zwölf Songs sind alle niegelnagelneu und unbefleckt - doch ohne die Unterstützung von Raabes Pianisten vom Palast Orchester, Christoph Israel, und Annette Humpe von Ideal und Ich + Ich, die beim Liederschreiben beteiligt war, wäre dieses Album nicht so gut geworden oder überhaupt nicht entstanden.
Das Ambiente von "Küssen kann man nicht alleine" ist brillant. Das Palast Orchester begleitet den stets perfekt gekleideten und frisierten Raabe, hält sich aber zumeist vornehm zurück, mit Ausnahme von ein paar wenigen dramatischen Stellen wie "In geheimer Mission", in dem Raabe das Mikrofon als seine Waffe bezeichnet. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Raabes Bariton meist dominant ist und durch die einzelnen Songs führt. Die Stimme geht ab und an auch in Pfeifen über. Die "Krise" etwa wird zum Ausklang mit großer Leichtigkeit weggepfiffen. Über allem schweben dann nur noch Gott und ein Hauch Melancholie.
Die Pointierung und die Heiterkeit in der Melancholie, die dieses Album auszeichnen, werden in den herrlich ironischen Texten noch verstärkt. Im Titelstück zählt Raabe auf, was er alles alleine tun, machen und lassen kann, worunter das Schachspielen, der Staffellauf und die Beichtabnahme fällt. Nur das Küssen, das geht nicht alleine. Die Liebe ist dem Egoismus und dem Konkurrenzdruck entzogen. Das mag schon antiquiert klingen, doch in seiner Schrulligkeit wirkt das wieder charmant und ehrlich. Das folgende "Ich bin nur wegen Dir hier" ist gleich schon wieder ein Aufzählungsstück. Es erzählt eine kleine Geschichte über die Gründe, die das Lyrische Ich, oder auch Raabe selbst, haben könnte, um auf einer Gala zu erscheinen. Günter Grass, Lars von Trier oder die Queen mit Hut werden genannt. Doch nein, der einzige Grund, "hier" zu erscheinen, ist die angebetete 2. Person Singular: "Alle wollen mich begrüßen / Kommen auf mich zu / Heut' liegt mir die Welt zu Füßen / Doch da stehst Du! / Ich bin nur wegen Dir hier / Wegen Dir bin ich hier."
Raabe singt nahezu in jedem Augenblick über die Liebe, und, welch Überraschung, es mutet nur ganz selten ein wenig zu kitschig an. Die unbeschwerte Eleganz siegt zu jeder Zeit. Die Liebe zum Detail sorgt schlicht für Wohlergehen. In "Wenn ich Du wär'" gönnt sich Raabe sogar ganz unterkühlt ein Aprikoseneis. Und sollte die Sprache einmal versagen, wird die Liebe mit anderen Mitteln fortgesetzt. Die Geigen, das Piano und Raabes Stimme verstummen, die Leidenschaft bleibt. Und mit dem "Schlaflied" geht es zu Bett. Träume über Gott und die Welt werden folgen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Küssen kann man nicht alleine
- Ich bin nur wegen Dir hier
- In geheimer Mission
- Krise
Tracklist
- Küssen kann man nicht alleine
- Ich bin nur wegen Dir hier
- Du weißt nichts von Liebe
- In geheimer Mission
- Täglich besser
- Eifersüchtiger Mann
- Krise
- Doktor, Doktor
- Wenn ich Du wär'
- Mit Dir möchte ich immer Silvester feiern
- Krank vor Liebe
- Schlaflied
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